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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Ich würde ohnehin sterben - da konnte ich genauso gut vorher noch alles rauslassen. Ich legte all die Wut und Verachtung in meine Stimme, die sich in mir aufgestaut hatten.
    Incys Gesicht verzerrte sich vor Zorn. »Halt's Maul! Du bist hier die Dunkle! Du bist schlecht bis in die Tiefen deiner verschrumpelten kleinen Seele!«
    »Das dachte ich auch immer. Hatte es immer gefürchtet«, fauchte ich ihn an. Das Sprechen war immer noch schwierig, nicht flüssig, aber zumindest brachte ich Worte heraus. »Alles ging schief und ich dachte, es läge an mir! Aber das stimmt nicht! Mit mir ist alles in Ordnung! Du warst es die ganze Zeit! Du bist der Dunkle von uns beiden!« Bei dieser Erkenntnis hätte ich am liebsten vor Erleichterung geheult -
    vorausgesetzt, dass es stimmte -, aber da ich ohnehin gleich sterben würde, konnte ich mir das auch sparen.
    »Halt's Maul!«, schrie Incy wieder und schwenkte das blutige Schwert in meine Richtung. »Du weißt nicht, was du redest! Du liebst mich! Ich habe alles für dich getan!«
    Ich schnappte nach Luft. »Dich lieben? Bist du irre? Sieh dich doch um! Sieh dir an, was du getan hast! Sieh dir an, was du mir antust!« Meine Kette rasselte und scharrte über den Pfosten. Holzsplitter bohrten sich in meine Handgelenke. Incy sah sich um und ein verwirrter Ausdruck huschte über sein hübsches dunkles Gesicht.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich erkenne den Incy von früher, der mal mein Freund war, nicht wieder«, sagte ich. »Jede Erinnerung an dich ist widerlich, noch schlimmer, als ich dachte, und ich will dich aus meiner Vergangenheit auslöschen, will alles auslöschen, was mit dir zusammenhängt.«
    Ich sprach diese wahren, verletzenden Worte ruhig aus und sie ließen Incy ausrasten.
    Zwei rote Wutflecke erschienen in seinem Gesicht. »Das meinst du nicht ernst!«
    Ich nickte, obwohl sich mein Kopf anfühlte, als wiege er fünfzig Kilo. »Oh doch, Incy, und ob!«
    »Ach ja?« Mit einem wütenden Aufbrüllen sprang er auf mich zu und schwang das Schwert. Ich konnte gerade mal ein bisschen zucken und kniff die Augen zu. Aber das Schwert traf nur den Pfeiler und erschütterte ihn so sehr, dass ich es bis in meine Hände spürte.
    Er brauchte eine Sekunde, um die scharfe Klinge aus dem Holz zu befreien, und ich wünschte so sehr, dass ich die Füße ausstrecken und ihn zu Fall bringen könnte. Ich stellte mir vor, wie ich ihn schlug, wieder und wieder, und wie ich dann das Schwert in die Hand nahm ...
    Er bekam die Klinge wieder frei, trat zurück und richtete sie auf mein Gesicht. Die Spitze, auf der immer noch Katys Blut glänzte, war nur wenige Zentimeter von meinen Augen entfernt. »Du hasst mich also? Dann brauche ich wenigstens nicht so zu tun, als fühlte ich mich schuldig, wenn ich mir deine Kraft nehme.«
    Ich hob das Kinn. »Die kriegst du nicht! Das lasse ich nicht zu!«
    Incy kicherte und es wurde schnell ein schrilles, irres Lachen daraus. »Als könntest du mich aufhalten!«
    »Kann ich«, bluffte ich, aber Incy fiel nicht darauf herein. Er zeigte mit dem Finger auf mich, murmelte ein paarWorte und beim nächsten Atemzug sackte ich zusammen und schaffte es kaum noch, meine Augen zu bewegen. Er hatte den Fesselungszauber verstärkt und ich hätte am liebsten vor Wut und Frustration geschrien. Wieder brannten Tränen in meinen Augen und ich konnte nicht fassen, dass er gewinnen würde, dass ich keinen Ausweg wusste.
    »Es wäre besser für dich, wenn du mir deine Kraft gibst«, sagte Incy ruhig. Er bückte sich und zog mit Katys Blut einen großen Kreis um uns. Anscheinend bedurfte es gewisser Vorkehrungen, mir meine Kraft zu nehmen, mehr als bei Boz, Katy oder normalen Leuten. Der eklige Geruch des Blutes verbunden mit dem Gestank von Alkohol und Erbrochenem brachte mich erneut zum Würgen. »Aber ich bin sicher, dass ich sie mir auch gegen deinen Willen nehmen kann. Das wird sogar eine interessante Herausforderung sein.«
    Ich wollte kreischen, aber mein Unterkiefer war wie Gummi und fühlte sich viel zu groß für mein Gesicht an.
    Bevor Incy den Zirkel schloss, legte er vier große Hämatitbrocken in jede Himmelsrichtung. Dann nahm er noch mehr Blut und malte einen großen, auf dem Kopf stehenden Stern in die Mitte des Kreises, ein Pentagramm. Ich hatte gesehen, wie Anne eines für einen Heilungszauber benutzt hatte. Wie alles andere war das Symbol an sich nicht dunkel. Alles kann in beiden Richtungen

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