Ersehnt
euch solche Sorgen macht, wieso redet ihr dann nicht mit mir? Wieso muss es hinter meinem Rücken sein? Wieso seid ihr so neidisch auf mich?«
»Neidisch? Wovon redest du da?«, fragte Katy.
Incy wandte sich ihr zu. »Du weißt, wovon ich rede. Ihr lästert doch schon seit Wochen über mich, behauptet, ich wäre verrückt und dunkel und dass ich üble Dinge tue.«
Katys Augen wurden groß. »Nein, haben wir ni-«
»Hör auf! Hör einfach auf!« Incys Stimme erfüllte das Hotelzimmer. Wäre er ein normaler Mensch gewesen, hätte ich mich gefragt, ob er etwas eingeworfen hatte. Aber die meisten Partydrogen - abgesehen von Alkohol - wirken bei uns nicht besonders. »Ich entwickle mich weiter! Und ihr nicht! Ihr geht nirgendwohin.« Er fing an, durch den Raum zu
marschieren. »Ich will nur, dass wir zusammen sind wie früher. Aber ihr wollt nicht mitkommen. Weil ihr neidisch seid.« Er starrte uns an und in seinen schwarzen Augen loderte ein wütendes Feuer. Ich setzte mich aufrechter hin. Das war echt verrückt. Incy hatte sich in seine Wut reingesteigert und kam vollkommen paranoid rüber.
War er verrückt, dunkel und tat üble Dinge? Hatte er dunkle Magie praktiziert, wie ich vermutete, und beeinflusste ihn das? Sein Herumgelaufe war abgehackt, nervös und irgendwie manisch. Ich hatte ihn schon öfter ausrasten sehen, wenn etwas nicht so lief, wie er es wollte. Er hatte mit Sachen geworfen, Fremde beschimpft und herumgeflucht. Ich hatte mich davon nicht beeindrucken lassen, es sogar ganz amüsant gefunden: der verwöhnte Incy. Aber so war er noch nie gewesen, so paranoid und vorwurfsvoll. Außer in meinen Träumen. Meinen Visionen. Ich musste wieder an die zerhackten Körper denken, das Knochenfeuer.
Vielleicht ... war es denkbar, dass ich nur hergekommen war, um diese Dinge zu verhindern? Dass mich alles hergeführt hatte, um zu helfen. Vielleicht stand Incy vor dem Abgrund und ich war hier, um ihn zurückzureißen. Nicht, dass ich mir etwas auf meinen karmischen Einfluss einbilden würde. Aber der Gedanke, dass ich hier war, um Gutes zu tun, gefiel mir natürlich viel besser, als zuzugeben, dass ich nur gekommen war, um mich regelmäßig ins Koma zu saufen. Was natürlich viel eher zutraf.
»Oh, meine Güte«, sagte ich betont gelangweilt. In der Vergangenheit war es mir immer gelungen, ihn zu beruhigen, und obwohl das hier anders war, wollte ich es versuchen. Ich nahm mir noch ein Plätzchen vom Tablett und knabberte daran, um mir eine kurze Denkpause zu verschaffen. »Ich meine, komm drüber weg, Incy.«
Er wirbelte mitten in der Bewegung herum. »Du!«, sagte er. »Ich habe dir vertraut!«
Ich hob meine Brauen nur ein kleines bisschen, um anzudeuten, dass mir das kein volles Brauenheben wert war. »Klar hast du das. Und jetzt hör zu. Es ist durchaus faszinierend, sich über dich zu unterhalten. Das ist es. Und ich genieße es, mit dir oder ohne dich. Aber es ist eine Sache, über jemanden zu sprechen, und eine ganz andere, hören zu müssen, wie jemand pausenlos über sich selbst quatscht.« Ich warf mir den Rest des Plätzchens in den Mund, lehnte mich zurück und reckte den Rücken über die niedrige Lehne der Couch.
»Ich liebe dich«, flüsterte er. »Wieso stellst du dich gegen mich?« 'Seine Fäuste fuhren zurück und trafen die Wand hinter ihm, allerdings nicht hart genug, um Schäden anzurichten. »Niemand stellt sich gegen dich«, sagte ich. Meine Güte, das passte wirklich nicht zu ihm. Ganz im Gegenteil: Er war immer überzeugt gewesen, dass ihn alle liebten und in Reichweite seines Charmes sein wollten.
Er sah mich traurig an. »Du glaubst, dass ich schlimm bin. Dass ich verrückt bin.«
Okay, jetzt war ich echt beunruhigt. Das war ein ganz neues Verhalten bei jemandem, dessen Verhalten ich seit hundert Jahren jeden Tag erlebt hatte. Ich dachte wieder daran, wie River mir immer wieder die Hand hingestreckt hatte, auch wenn ich noch so abweisend war. Wie gelassen sie war und mich immer akzeptiert hatte. Ich war zurückgekommen, um bei Incy zu sein, meinem besten Freund. Ich würde ihn nicht abservieren, nur weil er ein paar Probleme hatte. Ich wollte ihm Hilfe anbieten, wie River es bei mir getan hatte. Ich wollte wenigstens in seinem Leben etwas bewirken, nachdem ich bei Meriwether und Dray so kläglich versagt hatte. Und bei mir.
Boz, Katy und Cicely sahen verstört und unglücklich aus. Ich hatte den Eindruck,
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