Ersehnt
glauben, nachdem ich sie vor Monaten so eiskalt verlassen hatte? Früher hätte ich nie solche Fragen gestellt. Es war echt die Pest, plötzlich über diese »richtig oder falsch«-Nummer nachzudenken.
Boz setzte sich hin und fuhr sich mit der Hand durchs blonde Haar, das dadurch noch perfekter verwuschelt aussah. Er schaute kurz zu Incys geschlossener Tür und schien dann einen bedeutsamen Blick mit Katy zu tauschen. »Ich muss' zugeben, dass ich in letzter Zeit das Gefühl hatte, als würde Incy ... immer extremer«, sagte er leise.
Ich war sofort alarmiert. »Wie meinst du das?«
»Jetzt geht das wieder los«, murmelte Cicely.
Boz ignorierte sie. »Es kommt mir vor, als würde er leichtsinniger«, sagte er unbehaglich. »Wie bei diesem Taxifahrer letzten Herbst. Er geht verrückte Risiken ein. Manche davon waren echt gefährlich. Total irre, selbst für meine Verhältnisse.« Er lachte verlegen.
»Ich hab dir schon mal gesagt, dass du überreagierst«, knurrte Cicely gereizt. »Incy will nur seinen Spaß haben. Ein paar Sachen sind schlecht ausgegangen, aber so was passiert. Das war nicht seine Schuld.«
Boz sah aus, als würde er ihr gern widersprechen, und ich hatte den Eindruck, dass sie diese Diskussion nicht zum ersten Mal führten.
»Was ist schlecht ausgegangen?«, fragte ich.
Boz schüttelte den Kopf. »Es ist nur - nichts ist je genug für ihn. Er hat schon immer andere Leute benutzt, aber jetzt ist es beinahe ... als wären sie nicht mehr real für ihn.«
Boz war der König der Ausnutzer. Wenn er fand, dass Incy eine Grenze überschritten hatte, war das schon gruselig.
»Da war diese Sache mit dem streunenden Hund. Er hat ihm nicht wehgetan, aber ihn ... Dinge machen lassen, nur zum Spaß. Ich weiß auch nicht.« Ich hatte den Eindruck, als würde Boz am liebsten nicht mehr weiterreden. »Er hat sich verändert, aber ich kann nicht sagen, wie. Auf jeden Fall geht es ihm viel besser, seit du wieder da bist.« Er lächelte mich an. »Vielleicht war es nur eine Phase.«
»Ich habe mir auch Sorgen gemacht.« Katy flüsterte es fast. »Ich meine, wir sind alle ziemliche Arschlöcher, doch wir sind nicht verrückt. Aber da ist dieser Ort, der wirklich ... « »Ihr seid echt albern.« Cicelys Stimme war schneidend.
»Incy ist genauso, wie er immer war: Er will Spaß haben.
Wie wir alle. Ich weiß wirklich nicht, was mit euch los ist.« »Ich weiß auch nicht, was mit euch los ist.« Ich fuhr zusammen, als ich Incys Stimme hörte, und sah mich zu ihm um. Er stand in der offenen Tür seines Zimmers - der Tür, die beim letzten Blinzeln noch fest geschlossen gewesen war. Wie hatte er sie so schnell und lautlos öffnen können? Hatte er uns belauscht? Sein Gesicht war starr, seine Augen blickten eisig. »Ich kann nicht fassen, dass ihr hier zusammenhockt und hinter meinem Rücken über mich redet!« Ich hätte wetten können, dass er nur herumalberte und absichtlich so ein Drama daraus machte, aber anscheinend hatte es ihn wirklich hart getroffen.
»Worüber sollen wir denn sonst reden?«, sagte ich leichthin und tat so, als würde ich seine Verärgerung nicht bemerken. Er war schon immer ein Hitzkopf gewesen, leicht gereizt, aber ebenso schnell darüber hinweg. »Du bist nun mal das Interessanteste, über das wir reden können.«
Einen Moment lang wurde er wankend, aber dann versteinerte seine Miene erneut. »Aber ihr habt nicht über mein gutes Aussehen gesprochen oder über meinen Charme oder darüber, dass ich jünger aussehe als ihr«, sagte er herablassend. »Ihr habt gesagt, dass ihr euch Sorgen um mich macht. Dass ich extremer geworden bin. Was soll das heißen? Wieso seid ihr alle gegen mich?«
Er sah jünger aus ... ?Was sollte das denn? Wir sahen doch alle jung aus. Wir alle wurden ständig nach dem Ausweis gefragt.
»Wir sind nicht gegen dich«, betonte Cicely und warf mir einen bösen Blick zu.
»Wieso extremer?«, fragte Incy wieder. »Nennt mir ein Beispiel.« Seit meiner Rückkehr war er süß, fast zärtlich zu mir gewesen, aber jetzt war er nur noch stinkig und nicht bereit nachzugeben.
Boz stand langsam auf, um zu zeigen, dass er ein gutes Stück größer war als Incy. »Reg dich ab, Mann«, sagte er. »Hier gibt's keine Verschwörung. Wir sind nur Freunde, die über einen von uns sprechen.«
»Ganz recht, über einen von euch«, sagte Incy bockig und sah ihn finster an. »Nicht mit einem von euch. Wenn ihr
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