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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Gefühlsmischung im Gesicht seines Sohnes sah, die er gut verstand. Erleichterung, daß er nicht wieder nach draußen mußte; Sorge um seinen Vater; Verärgerung und Demütigung, weil man ihn nicht für alt genug hielt, um mit der Situation fertig zu werden.
    Roger seufzte. »Sei ein guter Junge und hol den Wagen für mich aus der Scheune.« Er lächelte. »Ich hole in der Zeit meinen Mantel.« Er nahm Patrick beim Arm und zog ihn beiseite. »Du wirst hier mehr gebraucht, mein Junge. Falls irgendwas passiert.« Er blickte seinem Sohn in die Augen und wußte, daß das, was er gesagt hatte, um den Stolz seines Sohnes nicht zu verletzen, eigentlich die Wahrheit war. »Du bist stärker als ich. Du kannst sie besser beschützen. Ich will, daß du das Gewehr lädst und es immer in deiner Nähe hast.«
    Patrick starrte ihn an. Dann nickte er. »Ich hole das Auto.«
    Nachdem er die Schlüssel von der kleinen Leiste hinter der Tür genommen hatte, öffnete er diese und spähte hinaus. Er wollte nicht wieder nach draußen gehen. Draußen, das war feindselig und beängstigend. Es hatte alle Sicherheit und allen Zauber verloren, die er sein Leben lang gekannt hatte œ das geheimnisvolle Wunder des schwarzen, sternenübersäten Himmels, die rasenden Wolken, sogar der Regen und der Schnee. Er hatte das alles wegen jenes ganz besonderen, reinen und frischen Geruchs geliebt, der mit der Nacht kommt, wegen jener Stille, die das Land umhüllt und ein paar Stunden lang all den lauten Schrecken des 20. Jahrhunderts auslöscht.
    Patrick machte die Tür hinter sich zu und lief, so schnell er konnte, hinüber zur Scheune. Er zog die schwere, zweiteilige Tür auf, tastete nach der Lichtschnur und zog sie nach unten. Das riesige, dunkle Gebäude wurde von einer doppelten Reihe von Lampen, die schief und krumm in sieben Meter Höhe von Ketten und elektrischen Kabeln hingen, in hartes, blaues Licht getaucht. Über sich hörte er ein unruhiges Rascheln in den Dachsparren und einen mißmutigen, piepsenden Schrei. Irgendein Vogel, der windgeschützt dort oben schlief, beklagte sich bitterlich über sein Eindringen.
    Er öffnete die Wagentür und ließ sich hinter das Lenkrad gleiten, schlug sie zu und rammte die Schlösser nach unten. Es war bitterkalt in dem Auto. Sein Atem ließ die Windschutzscheibe beschlagen. Er zog den Choker und drehte den Schlüssel um. Das treue alte Auto sprang beim ersten Versuch an, und er saß ein paar Minuten lang da, ließ seine Zehen mit dem Gaspedal spielen und spürte, wie sich der kalte Motor langsam mit warmem Leben füllte. Mit vor Konzentration angestrengtem Gesicht legte er den Rückwärtsgang ein, drehte den Kopfüber seine Schulter nach hinten und fuhr den Wagen durch die undurchdringlichen Schwaden seiner eigenen Abgase rückwärts aus der Scheune und vor das Haus, wo er ihn ordentlich vor der Haustür zum Stehen brachte. Auftrag ausgeführt.
    Beim Herausklettern zögerte er einen Moment lang, dann streckte er den Arm in das Innere des Wagens und schaltete den Motor aus. Es gab keinen Grund, den Wagen mit laufendem Motor dort stehen zu lassen.
    Er sah zu, wie sein Vater sich in Schal und Mantel hüllte. Dann wandte er sich ab und gab vor, nicht gesehen zu haben, daß Roger eine Packung Tabletten in die Tasche steckte. Er wußte auch so, welch furchtbare Schmerzen sein Vater litt. Sein abgehärmtes Gesicht und die Blässe seiner Haut sagten alles.
    »Hier.« Roger gab ihm einen Schlüssel. »Für den Gewehrschrank. Ich meine es ernst, Paddy. Lade es und behalt es in deiner Nähe. Und schau nach, ob alle Türen und Fenster verschlossen und verriegelt sind, während ich weg bin. Ich komme zurück, so schnell ich kann.«
    »Sei vorsichtig, Roger.« Diana lief zu ihm hin und warf die Arme um seinen Hals. »Ich sollte dich nicht fahren lassen. O mein Liebling, paß auf dich auf.«
    Er lächelte mühsam. »Mach ich. Keine Sorge.« Er drehte sich zur Tür um und öffnete sie. In den wenigen Minuten, seit Patrick hereingekommen war, hatte sich der Schneeregen in Schnee verwandelt. Er wirbelte vom Himmel herunter und bedeckte bereits die geschützteren Ecken des Gartens. Er spähte durch den wirbelnden Schnee und wandte sich dann um. »Wo hast du das Auto hingestellt?«
    »Gleich da. Vor der Tür.« Patrick zeigte an ihm vorbei. Mit besorgter Miene machte er einen Schritt an seinem Vater vorbei.
    Das Auto war nicht mehr da.
    Patricks Kinnlade fiel nach unten. Er starrte hilflos um sich. »Aber ich habe es hier

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