Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
abgestellt. Genau hier.« Er stand genau an der Stelle, wo er den Wagen geparkt hatte. Im Licht, das aus der Haustür fiel, war dort, wo der Wagen gestanden hatte, deutlich ein rechteckiger Umriß im Schnee zu sehen. Er sah seinen Vater verzweifelt an.
»Du hast die Bremse nicht angezogen«, sagte Roger langsam. Er hatte die Stirn in Falten gelegt. Das Kiesstück, auf dem der Wagen gestanden hatte, war völlig eben.
»Doch, habe ich.« widersprach Patrick heftig. »Und ob ich das getan habe, verdammt! Und abgeschlossen habe ich es auch. Er ist gestohlen worden. Er muß mich die ganze Zeit beobachtet haben.« Er fühlte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten.
»Er muß ihn aufgebrochen und kurzgeschlossen haben.«
»Ich habe nicht mehr als zwei Minuten gebraucht, nachdem du ihn abgestellt hattest, Patrick. Dann war ich hier draußen«, sagte sein Vater langsam. »Niemand kann so schnell ein Auto aufbrechen. Nicht, ohne die Scheibe einzuschlagen, und das hätten wir gehört. Bestimmt war die Bremse nicht angezogen.« Er starrte vor sich auf den Boden.
In der dünnen Schneeschicht gab es keine Reifenspuren.
XLIII
Marcus starrte die Frau an, mit der er vermählt war. Sie hatte noch nie so schön ausgesehen. Ihre gelösten Haare wehten wild im Wind, ihre Augen waren feurig, als sie auf ihn zu lief. Er lächelte kalt, die Arme vor der Brust verschränkt. Er bemerkte, wie die Priester sich zurückzogen, und er wußte, daß der Körper langsam, mit dem Gesicht nach unten, im weichen Schlamm des Moores versank. Das blutige Rot des Sonnenaufgangs ergoß sich über das Ried, spiegelte sich in den stillen Gewässern, die sie umgaben. Sie kam auf ihn zugerannt, aber es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie ihn erreichte, bis sie die Hand zu seinem Gesicht hob, die Nägel wie Klauen, sich unter seinem ausgestreckten Arm hindurchbückte und nach dem Schwert griff, das in der Scheide an seinem Gürtel steckte. Er trat einen Schritt zurück, um sich zu schützen, und sie lachte. Der Klang ihrer Stimme ließ ihm das Blut in den Adern gerinnen. Sie hob das Schwert.
»Sei verflucht, Marcus. Sei verflucht. Sei verflucht. Du kannst uns nicht trennen.«
Einen Augenblick lang schien es, als ob das Schwert sich im dünnen Stoff ihres Gewandes verfinge. Dann hatte sie es daraus befreit und stieß es sich in den Bauch. Einen Moment lang stand sie da, hoch aufgerichtet, stark, stolz, die Fäuste um den Griff geballt. Dann riß sie das Schwert nach oben, ohne sich den Schmerz ansehen zu lassen, eine wahre Tochter Roms. Langsam begannen ihre Knie nachzugeben, und das Blut spritzte über ihren Rock.
Kate drehte sich ruckartig um und versuchte angestrengt, mit den Augen die Dunkelheit zu durchdringen. Sie hatte das Gefühl, daß jemand hinter ihr stand. »Greg?« Sie blickte wild um sich, aber sie konnte ihn nicht sehen; sie war weiter gegangen, als sie gedacht hatte. Der Strand war menschenleer. Es gab keine Spur von ihm, wie er im Sand saß. Ihr Herz begann unregelmäßig zu pochen, als ob sie gelaufen wäre. Sie hielt das Stück Treibholz umklammert, das sie am Rand der Flut gefunden hatte. Es fühlte sich kalt und naß, aber stabil an. Langsam ging sie den Weg zurück, den sie gekommen war, und spähte in die Dunkelheit. Lieber Gott, wo war sie bloß? Sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Allein hatte er nicht weggehen können. Also mußte er hier noch irgendwo sein. Sie strich sich den Schneeregen aus den Augen und bemerkte, daß es jetzt mehr Schnee war als noch zuvor, der, vorhin noch hart und schneidend, jetzt leicht und federartig ihre Haut liebkoste.
Da war sie wieder. Die seltsame Überzeugung, daß jemand in ihrer Nähe war. Daß jemand neben ihr war, ganz dicht neben ihr, so dicht, daß sie die Wärme seines Körpers spüren, seine Umrisse erahnen konnte. »Idiot!« In ihrer Angst hatte sie laut gesprochen. Sie wandte sich ab und ging Richtung Meer, versuchte, sich von diesem Gefühl freizumachen. Eine Welle brach sich an ihren Stiefeln und bespritzte sie mit Gischt. Sie sprang zurück, außer Reichweite der nächsten Welle, und da fühlte sie es erneut œ da stand ein Mann neben ihr. Sie blieb stehen, stand ganz still und sah sich angestrengt um. Es war niemand da. Es war eine Täuschung, hervorgerufen durch Wind und Wetter.
Zähneknirschend ging sie weiter. »Greg!« Sie klemmte sich das Stück Holz unter den Arm und legte beide Hände an den Mund. »Greg! Wo bist du?« Erschöpft trottete sie weiter und spähte
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