Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
schlug. »Ich habe Kate und Greg nicht gefunden. Ich habe gerufen und gerufen. Das Cottage war leer, also bin ich zurückgefahren, dann hatte ich einen Platten, und ich sah, wie jemand im Wald herumschlich…«
Roger setzte sich unvermittelt. Sein Gesicht war grau. Er schloß die Augen, als die Schmerzen seinen Körper schüttelten. »Schau doch mal, ob das Telefon wieder geht, Di. Vielleicht haben sie den Schaden inzwischen behoben.«
Einen Augenblick lang blieb sie reglos stehen, dann drehte sie sich um und lief zum Arbeitszimmer.
Alison sah ihr mit ausdruckslosen Augen zu. »Die Wahrheit muß ans Licht«, sagte sie langsam. Sie schob die Decke weg und stand unsicher auf.
Ihre Mutter blieb plötzlich in der Tür stehen. »Allie? Was meinst du damit? Hast du gesehen, was passiert ist?«
Alison lächelte. »Es war Marcus. Sie hat mir alles erzählt. Es war Marcus. Er hat sie alle umgebracht.« Sie bückte sich, um Serendipity auf den Arm zu nehmen, der sich auf dem Sofa zusammengerollt hatte.
»Er hat sie alle umgebracht?« flüsterte Diana. Ihr Mund öffnete sich voller Entsetzen. »Wen hat er umgebracht?«
Alison lächelte wieder. Sie gab der Katze einen Kuß auf den Kopf. »Alle. Alle sind im selben Grab.«
»Wer?« Roger stand plötzlich hinter ihnen. Er packte seine Tochter am Arm und riß sie herum, so daß sie ihn ansah. Der Kater befreite sich mit einem Jaulen aus ihrem Griff und hinterließ einen langen Kratzer auf ihrem Arm, aber sie schien es nicht zu bemerken. »Alison! Antworte mir. Wer wurde umgebracht? Wo ist dein Bruder?« Diana schnappte entsetzt nach Luft, aber das Geräusch ging in seinem Schreien unter. »Alison! Hörst du mich? Wer wurde umgebracht?«
»Alle.« Sie lächelte unbestimmt. »Oder dachtet ihr, er würde sie am Leben lassen?«
Roger wirbelte herum und wandte sich an seinen Sohn. »Was meint sie damit? Hast du den Land Rover gesehen? Hat Greg es bis zum Cottage geschafft?«
Patrick nickte. »Er stand vor dem Haus.«
»Also muß er die -« Er hielt inne. »Also muß er Bill dort gesehen haben.«
»Ich glaube schon.« Patrick atmete tief durch. »Jemand hatte sein Gesicht verpflastert. Er lag zugedeckt auf dem Sofa. Jemand hatte versucht, sich um ihn zu kümmern.«
»Greg und Kate vielleicht.« Diana klammerte sich an den Gedanken. »Sie haben ihn bestimmt gefunden. Haben versucht, ihm zu helfen.«
»Die Polizei muß kommen.« Roger legte die Stirn in Falten. »Hast du versucht zu telefonieren?«
Diana schüttelte den Kopf. Sie starrte ihre Tochter an, die sich nicht gerührt hatte. Alison stand am Feuer, ihre Arme baumelten nach unten. Von dem Kratzer an ihrem linken Unterarm tropfte das Blut langsam und gleichmäßig auf den Teppich.
Roger ging mit großen Schritten an ihr vorbei, zum Arbeitszimmer. Nach dreißig Sekunden war er wieder da. »Immer noch tot.« Er setzte eine grimmige Miene auf. »Ich werde das Auto nehmen und versuchen müssen, zu Joe zu kommen, um Hilfe zu holen.«
Er warf einen Blick auf Patrick, der immer noch am Küchentisch saß und verloren in sein leeres Glas starrte.
»Paddy!« Seine Stimme klang schneidend, als er den Kosenamen für seinen Sohn benutzte, den Patrick so sehr haßte.
Patrick schrak auf. Er sah seinen Vater mit großen, verwirrten Augen an.
»Patrick, deine Mutter muß hierbleiben und sich um Alison kümmern. Wenn ich jetzt weg bin, mußt du auf sie beide aufpassen. Ich will, daß du hinter mir die Tür abschließt und sie verriegelst. Du darfst keinen reinlassen. Niemanden, verstehst du?«
»Dad, das ist zu anstrengend für dich.« Patrick fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Er zitterte wieder in seinen durchnäßten Kleidern. »Laß mich den Volvo nehmen. Ich weiß, wie man damit fährt.«
»Er hat recht, Roger. Du darfst nicht fahren.« Diana sah in qualvoller Unentschlossenheit von Alison zu ihrem Mann und wieder zurück. »Ich sollte fahren.«
»Nein. Alison braucht dich.« Roger schüttelte den Kopf.
»Ich kann das, Dad«, sagte Patrick ruhig.
Die Tatsache, daß Roger auch nur eine Sekunde lang zögerte, zeigte deutlicher als alle Worte, wie krank und schwach er sich fühlte, aber er schüttelte langsam den Kopf. »Nicht bei diesem Wetter. Das ist zu gefährlich. Außerdem habe ich ja nichts weiter zu tun, als dazusitzen und das Auto seine Arbeit machen zu lassen. Ich fahre hinauf zur Straße und von da zu Joe. Joe kümmert sich dann um den Rest und bringt mich zurück.« Er zögerte, als er die seltsame
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