Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
über mich zu bekommen. Ich habe dagegen angekämpft…« Er hielt inne. »In meinem Traum hat er versucht, wieder in meinen Kopf zu kommen.« Er verlagerte mühsam sein Gewicht. »Es war der schrecklichste Traum, den ich bisher gehabt habe, der schrecklichste Traum meines Lebens, und trotzdem kann ich mich nur an ein paar Bruchstücke erinnern.«
»Vielleicht bist du von einem Fremden aus Porlock * aufgeweckt worden.«
Kate lächelte ihn an. Sie versuchte, ihn von seiner finsteren Stimmung zu befreien.
»Schon gut, schon gut. Glaub‘s oder glaub‘s nicht. Alles, woran ich mich erinnere, ist, daß er versucht hat, in meinen Kopf reinzukommen, und daß er in dieses Haus gekommen wäre, wenn ich ihn gelassen hätte. Und das war es, was er wollte. An uns rankommen. Weil wir sein Geheimnis kennen.«
Sie sah ihn aufmerksam an. »Und was ist sein Geheimnis?«
Er blickte sie an, suchte nach Zeichen, daß sie ihm nicht glaubte, ihn belächelte. »Daß er Claudia getötet hat. Aber das ist noch nicht alles. Noch längst nicht. Warum wäre er sonst so wütend? Und so verzweifelt?«
Die Stille im Raum wurde drückend. In seinen Augen war kein Spott gewesen, auch keine erlösende Leichtigkeit. Was sie dort gesehen hatte, hinter der verengten graugrünen Iris, war Angst. Sie schluckte, flocht nervös ihre Finger ineinander.
»Wer, glaubst du, hat Bill getötet?« fragte sie endlich. Ihre Stimme klang heiser.
Greg seufzte tief. »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Weißt du, ob Allie irgendwas gesagt hat?«
»Patrick hat mir gesagt, daß sie behauptet, es sei Marcus gewesen.«
»Hast du ihnen erzählt, was Bill gesagt hat?«
»Nein.«
Greg richtete sich auf. In seinem Fuß hämmerte der Schmerz, heiße Stiche schössen bis zu seinem Knie. Auch ohne das verfärbte Fleisch zu sehen, wußte er, daß es sich entzündet hatte. »Schläft sie noch?«
»Ich glaube schon. Sie hat jedenfalls fest geschlafen, als ich runtergekommen bin. Greg, das Wichtigste ist jetzt, daß wir einen Arzt für dich holen œ und für sie. Patrick und ich gehen jetzt rauf zur Hauptstraße.« Sie warf einen Blick zum Fenster hinaus. »Bei Tageslicht erscheint es einem längst nicht mehr so furchterregend.«
Er streckte die Hand aus und berührte wieder die ihre. »Es tut mir so leid, daß das alles passiert ist, Kate. Armer alter Byron.«
Sie lächelte kläglich. »Er läuft mir schon nicht davon.«
»Weißt du«, er zögerte. »Ich glaube, ich bin jetzt doch ganz froh, daß du hier bist.« Er beugte sich zu ihr und küßte sie zärtlich auf die Stirn und fuhr ihr mit einem Finger über die Wange. »Du hast interessante Backenknochen. Wenn das alles vorbei ist, male ich dein Porträt.«
Sie lächelte, überrascht von dem Zittern der Erregung, das trotz ihrer Erschöpfung durch ihren Körper gelaufen war. »Ist das etwa ein Kompliment?«
»O ja. Wer mich gut kennt, würde für so ein Kompliment einen Mord begehen.« Aus seinen Augen funkelte der Schalk.
Sie studierte einen Moment lang sein Gesicht, dann stand sie halb zögernd auf. »Wir wissen jetzt, wo das Auto abgeblieben ist.«
»Wirklich?«
Sie lachte. Ein knappes, kleines Lachen, das einen Augenblick lang an der Schwelle zur Hysterie verharrte. »Es ist draußen im Watt; mitten im Wasser. Niemand kann es da hingefahren haben.«
Er sagte nichts. Seine Augen ließen die ihren nicht los, dann lachte auch er voller Unbehagen. »Nicht schlecht. Möglicherweise kann er einen Streitwagen fahren, aber ein Volvo ist nun mal was anderes.«
»Du glaubst doch nicht ernsthaft -«
»Ich weiß nicht, was ich glaube.« Plötzlich war er mit seinen Nerven am Ende. »Verdammt nochmal, was kann ich von hier aus schon machen? Paß gut auf. Sorg dafür, daß Paddy das Gewehr mitnimmt, und seid bloß vorsichtig. Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben. Da draußen ist jemand, der töten will. Da macht es auch keinen großen Unterschied, ob es ein gemeingefährlicher Irrer aus Fleisch und Blut ist oder einer aus dem Geisterreich. Das Resultat scheint dasselbe zu sein.«
»Also denkst du nicht, daß es Alison war.« Sie hatte sich zur Tür umgedreht.
»Natürlich nicht. Sie wäre nicht stark genug, selbst wenn sie jemanden töten wollte. Und sie hatte nichts mit dem Auto zu tun.« Er ließ sich zurücksinken, überwältigt von Hilflosigkeit, Frustration und Schmerz. Sie blickte auf ihn hinunter, zögerte noch einen Augenblick lang, öffnete dann leise die Tür und schlüpfte hinaus.
Roger schob
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