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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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ist. Ich bringe Ihnen Tee.«
    Natürlich. Plötzlich war alles wieder da. Der Schrecken und die Angst; die Kälte und die Erschöpfung. Sie stützte sich auf ihren Ellbogen, strich sich das Haar aus dem Gesicht und griff nach der Tasse. »Du bist ein Engel. Mir war gar nicht bewußt, wie durstig ich bin. Ist mit den anderen alles in Ordnung?«
    »Jedenfalls leben sie.« Patrick zog den Stuhl unter seinem Schreibtisch hervor und setzte sich rittlings darauf, ihr gegenüber. »Was passiert mit uns? Was sollen wir jetzt machen?«
    Sie nippte an ihrem kochend heißen Tee. »Wir müssen rauf zur Hauptstraße kommen. Wir brauchen Hilfe. Einen Arzt; die Polizei.« Sie hielt inne, legte die Stirn in Falten. »Wie geht‘s Greg?«
    »Sein Fuß ist ganz entzündet. Mum sagt, er müßte eigentlich ins Krankenhaus.« Die Welle der Angst, die sich über sie ergoß, überraschte sie. Greg war der einzige von ihnen, der stark war; der einzige, der sie beschützen konnte, wenn… Wenn was? Wenn sie angegriffen wurden?
    Fast, als hätte er ihre Gedanken erraten, schüttelte Patrick den Kopf. »Wer immer Bill getötet hat, ist längst nicht mehr hier. Er hat gestern unser Auto gestohlen. Ich gehe jetzt zu Fuß zu den Farnboroughs. Dafür brauche ich nicht mehr als eine Stunde.«
    Sie trank noch etwas Tee und spürte, wie er ihre Kehle hinunterfloß wie ein Lebenselixier. »Du kannst nicht allein gehen. Ich komme mit. Ich wasche mich schnell und esse einen Happen.« Ihr wurde plötzlich bewußt, wie hungrig sie war. »Dann bin ich zu allem bereit. Wie ist das Wetter?«
    Patrick stand auf. Er lehnte sich über den Schreibtisch, zog die Vorhänge auf und ließ ein schwaches, bräunliches Licht herein. »Nicht besonders. Es ist immer noch windig, und es ist ziemlich viel Schnee gefallen. Sie sagen einen Schneesturm voraus -« Er brach plötzlich ab.
    »Was ist los?« Die Panik, die mit einem Ruck durch ihren Magen lief, sagte Kate, daß sie nicht annähernd so ruhig war, wie sie gedacht hatte. Die ganze Angst war noch da, unter der Oberfläche, und wartete nur darauf, wieder über sie hereinzubrechen.
    »Unser Auto!« Patricks Stimme klang erstickt. Kate stellte die Tasse ab, taumelte aus dem Bett und stellte sich neben ihn. Wo? Verdammt, meine Brille ist in meiner Jacke. Sie blickte mit zusammengekniffenen Augen über das schneebedeckte Gras zum Watt.
    »Da. Da draußen.« Patricks Stimme war halb erstickt vor Schreck.
    Der Volvo stand ein paar hundert Meter vom Gras und vom Sand entfernt, am Rand des Watts, und hielt ein prekäres Gleichgewicht auf hohen, grasbestandenen Stücken Schlamm. Unter seinen Rädern lief die Flut fröhlich plätschernd aus der kleinen Bucht und ließ einen Vorhang aus Seetang zurück, der über die Stoßstangen des Wagens drapiert war.
    »Sitzt jemand drin?« Kate konnte aus dieser Entfernung nur die Umrisse erkennen.
    »Ich glaube nicht.« Patricks Stimme klang besorgt. »Wie ist es bloß da hingekommen? Hinfahren kann man es nicht bis dort.«
    »Nicht mal bei Ebbe?«
    »Schauen Sie sich an, wie hoch der Boden ist, auf dem es steht! Das sind richtige kleine Inseln. Sie müssen mehr als einen Meter über dem Boden liegen. Es gibt keine Möglichkeit, wie der Wagen da hingekommen sein könnte, gar keine.«
    »Die Flut muß ihn hingetragen haben. Es gab einen heftigen Sturm letzte Nacht -«
    »Und er hat in unsere Richtung geblasen. Vom Meer weg. Das ist ein Auto, Kate. Ein verdammt großer Volvo. Nicht irgendein Spielzeugauto. Im Wasser würde er untergehen.«
    »Ja. Natürlich.« Sie merkte, daß sie zitterte, und schob die Hände tief in die Taschen. »Können wir da rausgehen? Wenn die Flut ein bißchen zurückgegangen ist?«
    Er nickte geistesabwesend. »Ich muß es Dad sagen.«
    »Ich komme gleich runter.«
    Sie trat einen Schritt zurück und sah zu, wie er zur Tür ging. Er wirkte benommen. Sie blickte zum Fenster. Das Auto war noch da. Ein Sonnenstrahl, der sich verirrt hatte, brachte die Windschutzscheibe zum Glänzen.
    Auf dem Weg nach unten warf sie durch die offene Tür einen Blick in Alisons Zimmer. Das Mädchen lag reglos da, das Haar über das Kissen ausgebreitet. Der Teddybär lag auf dem Boden, daneben eine Wärmflasche. Kate blieb einen Moment lang stehen und sah sie an. Sie hatte das Gefühl, daß Alison nicht wirklich schlief.
    »Allie?« flüsterte sie. »Allie, bist du wach?«
    Keine Antwort.
    Roger saß am Küchentisch. Vor ihm stand eine Tasse Kaffee. Diana wartete in seiner Nähe auf den

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