Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
eingejagt.«
»Bin ich hingefallen?« Alison bemühte sich, sich aufzusetzen, und lehnte sich an ihre Mutter.
»Du hattest einen Schwindelanfall, altes Haus«, erwiderte Greg. Er grinste sie beruhigend an. »Wieder besser?«
»Ich… ich glaube schon.«
»Ins Bett, Sweetheart.« Dianas Stimme war fest. »Dann bringe ich dir was zu essen rauf.«
Alison richtete sich unsicher auf und blieb dann, leicht schwankend, einen Moment lang stehen, um sich benommen umzusehen. »Er ist weg, oder?« sagte sie endlich.
»Ja, er ist weg.« Greg schüttelte warnend den Kopf, als Diana den Mund aufmachte, um zu sprechen. »Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen mußt, Schwesterchen.«
Alison lächelte. »Nichts, worüber ich mir Sorgen machen muß«, wiederholte sie gehorsam. Sie sah noch immer benommen aus.
Diana nahm ihren Arm. »Komm, Liebes. Nach oben. Du erkältest dich noch hier unten.«
Greg sah zu, wie sie durch das Zimmer gingen, dann setzte er sich. Plötzlich war ihm wieder bewußt, wie schlimm sein Fuß schmerzte.
Es dauerte mehrere Minuten, bis Diana zurückkam. »Sie hat sich sofort hingelegt, und sie scheint wieder eingeschlafen zu sein.«
»Hast du die Tür abgesperrt?«
Sie nickte. »O Greg, ich hasse es, das zu tun.«
»Es tut ihr ja nicht weh. Und besser das als eine Wiederholung von œ was auch immer vorhin passiert ist.«
Sie nickte, riß sich zusammen und ging entschlossen zu ihm. »Also gut. Sehen wir uns den Fuß an.«
»Sollten wir nicht warten, bis der Arzt kommt?«
»Damit er ihn amputieren kann? Komm schon. Leg dein Bein rauf auf den Stuhl.« Sie wußten beide, daß sie sich irgendwie beschäftigen mußte.
Vorsichtig zog sie den Verband ab. Sie betrachteten den geschwollenen Fuß. »Ich werde wohl den Eiter ablassen müssen.« Sie sah ihn an.
Es gelang ihm, ein Lächeln aufzusetzen. »Traust du dir das zu?«
»Natürlich. Ich hole den Erste-Hilfe-Kasten.«
Er war im Arbeitszimmer. Sie machte das Licht an und spähte nach dem Kasten, den sie auf den Schreibtisch gestellt hatte. Er schien nicht da zu sein. Nervös begann sie, das Zimmer zu durchsuchen, dann hielt sie plötzlich inne. Es war kalt hier, außerordentlich kalt. Und sie konnte Erde riechen, feuchte Erde. Sie kämpfte gegen den plötzlichen Zwang an, aus dem Zimmer zu laufen. »Greg? Was habe ich mit dem Verbandskasten gemacht?« Ihre Stimme war unnatürlich laut, als sie über ihre Schulter rief. Die Tür hinter ihr war zu. Sie hatte sie doch bestimmt nicht zugemacht! Sie sprang hin, packte den Griff. Sie ließ sich nicht öffnen. »Greg!« Es war jetzt ein Schrei. »Greg!« Jemand war hinter ihr. Jemand war ganz nah bei ihr. Sie roch ein seltsames Parfüm; süß, widerwärtig süß, und die Kälte war jetzt sogar noch intensiver, schnitt in ihre Finger, während sie mit der Türklinke kämpfte. »Greg!« schluchzte sie auf, wirbelte herum und hob ihre Arme vors Gesicht, um abzuwehren, wer immer es war.
Das Zimmer war leer. Sie starrte um sich, fassungslos. Sie war sich so sicher gewesen; sie hatte sie gehört, sie gefühlt, sie gerochen; eine Frau. Sie wußte, daß es eine Frau gewesen war. Schluchzend vor Angst drehte sie sich um, um wieder mit der Klinke zu kämpfen. Die Tür ging problemlos auf.
»Ma? Ist alles in Ordnung?« Sie konnte Gregs Stimme hören, die nach ihr rief; nicht besorgt, nicht ängstlich, eher neugierig. Hatte er denn ihre Schreie nicht gehört? Sie schluckte schwer bei dem Versuch, sich zu fassen, und sah dann zurück ms Zimmer. Der Verbandskasten stand auf dem Regal neben der Tür, wo sie ihn sofort hätte sehen müssen, wenn sie hingeschaut hätte. Sie packte ihn, warf die Tür hinter sich zu und ging zurück ins Wohnzimmer.
»Konnte ihn nicht gleich finden.« Sie lächelte Greg breit und unnatürlich an.» Gut. Was ich jetzt brauche, ist kochendes Wasser und das Desinfektionsmittel, dann bin ich soweit.« Sie holte ein Handtuch aus der Schublade, während das Wasser warm wurde, legte es unter Gregs Fuß und packte umständlich ihre Ausrüstung auf dem Tisch aus.
Er legte eine Hand auf ihren Arm. »Bist du okay?«
Sie nickte. »Mir geht‘s gut.«
»Es kommt schon wieder alles in Ordnung.« Er lächelte sie beruhigend an. »Es gibt für all das eine Erklärung; Bill kann nichts mehr lebendig machen, aber ich weiß, daß es nichts mit Allie zu tun hatte. Sobald die Polizei hier ist, wird sich alles klären, du wirst sehen.«
Sie nickte wieder und konzentrierte sich darauf, ihre Verbände
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