Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Mann, Susie?« Joe packte sie und drehte sie herum, so daß sie ihm in die Augen sah. »Du hast bis jetzt nichts von einem Mann gesagt.«
»Er… er tauchte plötzlich vor uns auf.« Susie fing wieder an zu weinen. »Mummy ist voll auf die Bremse gestiegen, und wir sind ins Schleudern gekommen. Ich habe mir den Kopf am Fenster angeschlagen.«
»Wie sah er aus, Susie?« Greg ließ seine Stimme freundlich klingen.
»Er hatte einen langen Umhang oder sowas an. Ein Schwert…«
»Ein Schwert!« unterbrach Joe ungläubig, während Greg und Diana sich nur ansahen.
»Und ihr habt keine Spur von Kate und Patrick gesehen?« Diana befühlte Cissys Beine. Wenigstens war nichts gebrochen.
»Nein.« Susie schüttelte den Kopf.
»Sie haben ein Gewehr«, warf Greg ein.
»Ich glaube, ich habe einen Gewehrschuß gehört.« Susie riß sich von ihrem Vater los und kniete sich neben ihre Mutter. »Gleich nach dem Unfall gab es einen lauten Knall.«
Diana schloß kurz die Augen. Irgendwie gelang es ihr, die Hände ruhig zu halten, als sie die Decke nahm, die Greg ihr reichte, und sie über Cissys reglose Gestalt legte. Als sie aufstand, wandte sie sich an Joe. »Du mußt Hilfe holen, Joe. Wir kümmern uns um sie, so gut es geht, aber sie braucht einen Arzt. Ich glaube, sie hat nur ein paar Blutergüsse, aber sie könnte auch eine Gehirnerschütterung haben. Sie muß unbedingt geröntgt werden.«
»Aber sie wird wieder gesund werden?« Joe sah sie hilflos an.
»Das hoffe ich.« Diana lächelte ihn beruhigend an und legte ihm die Hand auf den Arm. »Susie kann hierbleiben; ich kümmere mich um die beiden, Joe, versprochen.«
Er nickte. Einen Moment lang zögerte er unsicher, dann wandte er sich unbeholfen ab.
Greg humpelte hinter ihm her. In der Diele sprach er leise und eindringlich zu ihm. »Joe, da draußen läuft ein Irrer rum. Sei um Gottes willen vorsichtig. Paddy und Kate haben sich vor Stunden zu euch auf den Weg gemacht, um zu telefonieren. Halt die Augen auch nach ihnen offen, und sag der Polizei, was passiert ist.«
Joe nickte kurz. Er streckte die Hand aus, um die Tür zu öffnen. »Paß gut auf alle auf.«
»Das mache ich, keine Sorge.« Die Verbissenheit in Gregs Stimme war beruhigend.
Auf der Stufe nach draußen blieb Joe kurz stehen. Die Welt war völlig still, in wirbelnden Schnee gehüllt. Einen Moment lang zögerte er. Nur ungern überquerte er die paar Meter weißen Bodens bis zu seinem Land Rover. Dann schüttelte er den Kopf und ging mit großen Schritten vorwärts, während er hörte, wie Greg hinter ihm die Tür verriegelte.
Er ging hinten um den Wagen herum und streckte den Arm über die offene Ladeklappe nach seinem Gewehr aus, dessen Halterung an den Rahmen des Fahrzeugs geschraubt war. Mit einem Ruck nahm er das Gewehr aus der Halterung, dann schob er den Deckel einer Kiste zurück, die neben dem Notsitz stand. Die Patronen waren noch da; er hatte sie nach der letzten Jagd in der Kiste gelassen. Wegen solch einer Nachlässigkeit konnte er den Jagdschein verlieren, aber es wußte ja keiner. Fast hätte er sie geküßt, als er die Patronen in seine ausgebeulte Jackentasche steckte und hinter das Lenkrad kletterte. Er legte das Gewehr neben sich auf den Sitz und griff nach dem Schlüssel, den er im Schloß steckengelassen hatte, die Augen auf der Windschutzscheibe, die dicht mit Schnee bedeckt war.
Der Motor sprang nicht an.
Er drehte den Schlüssel wieder und wieder in der Zündung, ohne Erfolg. Hinter ihm ging die Tür zum Haus wieder auf. Greg hatte ihn vom Fenster des Arbeitszimmers aus beobachtet. »Was ist los?« Der Schnee dämpfte seine Stimme.
»Die verfluchte Batterie. Warte, ich versuch‘s mit der Anlasserkurbel.« Er stieg aus, froh, daß noch jemand da war. Das Schweigen des Waldes wurde immer bedrückender.
Das Metall fühlte sich sogar durch die Handschuhe kalt an, als er die Kurbel in das Loch steckte und sie herumwarf. Der Motor sprang noch immer nicht an. »Verdammtes, blödes Ding!« Er versuchte es noch einmal und spürte, wie ihm auf der Stirn der Schweiß ausbrach.
Hinter ihm musterte Greg die Bäume. Er fühlte ein Prickeln der Angst auf der Haut. Irgendwer œ oder irgend etwas œ beobachtete sie. Er war sich ganz sicher. »Joe«, sagte er leise. »Joe, nimm das Gewehr und komm ins Haus.«
»Ich versuch‘s nur noch einmal.«
»Nein, Joe. Laß es. Nimm dein Gewehr und komm rein.«
In Gregs Stimme lag eine Dringlichkeit, die Joe abrupt einhalten ließ. Er richtete
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