Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
sie gebückt im Rauch verschwinden und gleich darauf wieder auftauchen sah, das Gewehr unter dem Arm.
Roger schob sich an seinem Sohn vorbei und lief hinaus in den Schnee. »Di -«
»Schnell rein, Joe.« Greg stieß ihn ins Haus und humpelte hinter seinem Vater her, die Augen auf die Scheune gerichtet. Rauch drang überall durch das Dach; eine Reihe kleiner Explosionen erschütterte das Gebäude. Diana lief keuchend zu ihnen. Einen Moment lang standen sie alle da und blickten auf das Feuer, dann nahm Greg seine Mutter am Arm und zog sie weg. »Schnell, zurück ins Haus.«
»O Greg.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Todunglücklich ging sie zu Roger, der den Arm um sie legte und sie zurück zum Haus brachte.
Greg setzte in seiner Ungeduld ein paar Schritte lang den Fuß auf. Der Schmerz schnitt durch ihn hindurch wie ein Messer. »Gott sei Dank weht wenigstens der Wind in die andere Richtung, weg vom Haus; und der Schnee löscht bestimmt die Funken. Aber die Scheune sind wir los, Dad. Nichts mehr zu machen.«
Sie blieben einen Moment lang im Hauseingang stehen und sahen voller Verzweiflung zu, wie die ersten Flammen durch die schwarzen Bretter züngelten. Dianas Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe diese Scheune geliebt. Sie war wunderschön. Und meine Rosen! Meine armen Rosen. Sie werden verbrennen.«
»Ich nehme an, den Wurzeln wird nichts passieren.« Roger versuchte, beruhigend zu klingen. Er zog sie behutsam ins Haus und schloß die Tür. »Komm, setz dich zu Joe. Greg, schaffst du es, uns allen einen Brandy zu holen?«
»Bist du verletzt, Joe?« Diana versuchte, nicht an ihre kostbaren Pflanzen und die Vögel zu denken, die in der Dämmerung immer zum Schlafen in die Scheune kamen, und wandte sich Joe zu. Sie sah die schwarzen Flecken in seinem Gesicht prüfend an.
Er schüttelte den Kopf. »Nur verdammt geschockt.« Er klang eher wütend als irgend etwas anderes. »Was für ein Scheißkerl macht sowas? Das war eine richtige Todesfalle!« Er warf sich auf einen Sessel. »Ich schätze, den Brandy kann ich vertragen. Danke, Greg.« Er sah Cissy an. »Wie geht‘s ihr?«
»Unverändert.« Diana setzte sich neben sie und legte die Hand auf Cissys Stirn. Ihr pochte das Herz in den Ohren von dem Schock über das, was geschehen war. Sie glitt mit den Fingern nach unten, um hinter Cissys Ohr den Puls zu fühlen. Er war jetzt stärker und regelmäßiger.
Sie hob den Kopf und sah, daß Greg mit einem Glas in der Hand hinter ihr stand.
Sie griff danach. »So. Und wie geht‘s jetzt weiter?«
»Ich gehe zu Fuß. So geht‘s weiter.« Joe goß seinen Brandy in einem Zug hinunter und hielt Greg das leere Glas wieder hin. »Kein verfluchter Mörder macht das mit mir und kommt dann auch noch davon.«
»In der Dunkelheit kannst du nicht gehen, Joe.« Greg warf einen Blick aus dem Fenster. »Das wäre Wahnsinn. Kate und Paddy haben mittlerweile sicher euer Haus erreicht. Wenn sie nicht reinkommen, versuchen sie bestimmt, zu den Headleys oder zur Heath-Farm zu kommen. Auf jeden Fall können sie viel schneller Hilfe holen als du.«
»Und wenn sie‘s nicht geschafft haben?« Joes Frage war auf brutale Weise direkt. »Was, wenn er sie erwischt hat?«
»Er hat sie nicht erwischt, Joe.« Greg sah seine Mutter an. »Paddy hat ein Gewehr. Und er hätte keine Angst, es zu gebrauchen.«
Sein Blick wanderte nachdenklich hinüber zu Sue. Sie hatte gesagt, sie habe einen Schuß gehört. Aber Geister kann man nicht erschießen. Ein Gewehr würde gegen Marcus nichts ausrichten. Nicht das Geringste.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sah Diana ihn an.
»Ein Geist könnte nicht die Scheune anzünden, Greg. Oder mit dem Volvo fahren. Das muß ein Mann aus Fleisch und Blut gewesen sein.«
»Ein Geist?« Joe starrte sie an. »Was hat ein verdammter Geist mit all dem zu tun? Wollt ihr mir erzählen, daß ein verdammter Geist meine Frau von der Straße gedrängt hat?«
»Ich weiß nicht, was wir dir erzählen sollen, Joe. Ich weiß es einfach nicht.« Greg war bleich vor Hilflosigkeit. Er warf sich wieder in den Sessel. »Mein Gott, wenn ich nur gehen könnte! Wo sind bloß Kate und Paddy?«
LIII
Kate lag auf dem Gesicht, den Kopf auf die Arme gebettet. In ihren Haaren über der linken Schläfe war ein kleines Rinnsal aus Blut zu einer Kruste getrocknet. Sie war nicht sicher, wie lange sie so gelegen hatte, aber in der Zwischenzeit war ihr sehr kalt geworden. Vorsichtig hob sie den Kopf. Sie erwartete, jeden
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