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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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einem Stirnrunzeln ging sie zur Treppe und sah hinunter.
    Die Haustür stand weit offen.
    Einen Augenblick lang blieb sie wie angewurzelt stehen. Das war der Wind. Das mußte der Wind gewesen sein. Doch die Haustür lag auf der windgeschützten Seite des Hauses. Sie lief die Treppe hinunter und schlug die Tür zu. Sie hatte sie verriegelt. Sie hatte sie gestern nacht doch ganz bestimmt verriegelt? Mit aller Kraft schob sie den Riegel vor und drehte dann auch noch den Schlüssel im Schloß um.
    Die Küchen- und die Wohnzimmertür standen sperrangelweit offen, die Zimmer dahinter waren dunkel. Sie warf einen Blick hinein, aber ihr war nicht ganz wohl bei der Sache. Angenommen, es war doch nicht der Wind gewesen, der die Tür aufgeworfen hatte. Angenommen, es war ein Einbrecher?
    Komm schon, Kennedy. Wer würde denn hier einbrechen? Sie ging zur Küchentür und knipste das Licht an. Das Zimmer war leer, genau so, wie sie es vor ein paar Stunden verlassen hatte. Das Geschirr stand im Spülbecken aufgestapelt, der Kessel œ sie legte die Hand auf das Metall und sah, wie es geringfügig unter ihrer Handfläche beschlug œ war noch ein bißchen warm. Sie machte das Licht aus und ging zurück zur Diele. Sofort wurde der Geruch von Erde stärker. Sie blieb einen Moment lang stehen, schnüffelte. Die Haustür war geschlossen, der Geruch hätte jetzt eigentlich nachlassen müssen, aber nun schien er aus dem Wohnzimmer zu kommen.
    Als sie die Hand nach dem Lichtschalter ausstreckte, spürte sie, daß noch jemand im Zimmer war. Ihr Mund wurde trocken. Sie hielt den Atem an, horchte. Sie wußte, daß die andere Person dasselbe tat. Zudem war sie sich schmerzhaft bewußt, daß sich ihre Umrisse gegen das helle Licht der Diele abzeichneten.
    Da war eine Frau.
    Sie war sich nicht sicher, woher sie das wußte; sie konnte niemanden sehen, aber ihr Entsetzen war plötzlich nicht mehr ganz so groß.» Alison?« Ihre Stimme klang lächerlich laut und schrill.»Alison, bist du das? Was machst du hier?« Sie fand den Lichtschalter, knipste ihn an und sah sich um, während ihr Herz unter den Rippen hämmerte. Es war niemand da. Die Fenster waren geschlossen, die Vorhänge, die sie letzte Nacht zugezogen hatte, nach wie vor geschlossen, und das Feuer glühte ruhig vor sich hin, schön abgedeckt. œ Diesmal würde es bis zum Morgen reichen. Aber wenn das Feuer an war, und wenn das Glas hinter der Ofentür glühte, warum war das Zimmer dann so kalt wie der Tod, und woher kam der seltsame Geruch? Sie biß sich auf die Lippen und schaute sich noch einmal angestrengt um, bevor sie vorsichtig ins Zimmer trat und schnell hinter das Sofa blickte, dann in alle Ecken, sogar hinter den Vorhang. Doch alles war so, wie es sein sollte.
    Ganz zuletzt dachte sie noch daran, die Schublade zu überprüfen, in die sie den Halsreif gelegt hatte.
    Die Lampe stand nicht mehr in der Mitte des Tischs. Hatte sie sie so auf die Seite geschoben, daß sie über den Rand hinausstand? Ein kleiner Schubs hätte sie auf den Boden werfen können! Sie legte die Hand an den Griff der Schublade, zog sie aber rasch wieder zurück. Der Griff war mit Erde bedeckt! Nasser, regendurchtränkter Erde. Vorsichtig, mit zwei Fingern, zog sie die Lade auf. Der Halsreif und das Tonstück waren noch da. Niemand schien sie angerührt zu haben.
    Also war es Alison gewesen. Sie hatte Kate in Verdacht gehabt, etwas gestohlen zu haben, und war zurückgekommen, um ihren Schatz zu holen. Wahrscheinlich hatte sie einen Schlüssel zum Cottage. Als sie gehört hatte, wie Kate oben umherging, hatte sie die Nerven verloren und war weggelaufen. Mit einem ärgerlichen Kopf schütteln wischte Kate den Griff der Schublade ab und schloß sie. Sie sah sich ein letztes Mal im Zimmer um und ging zur Tür.
    Gerade wollte sie das Licht ausmachen, als sie bemerkte, daß außer dem Geruch von nasser Erde noch ein anderer Duft im Zimmer war. Er war intensiv, feminin, es roch nach Moschus. Der Duft einer kultivierten Frau. Sie lächelte trocken. Vielleicht gaben sogar unverschämte, wilde Teenagerinnen mitunter schon erste Zeichen, daß auch sie eines Tages erwachsen sein würden.

XII
    Die Entscheidung war getroffen: Das Opfer sollte in Beltane dargebracht werden. Das würde die Götter endlich besänftigen. Die Wahl des Opfers würde ihnen überlassen sein; der, der das verbrannte Brot aus dem Korb nehmen würde, wäre auch derjenige, der den dreifachen Tod zu sterben hatte.
    Nion lachte, als er es hörte. Er war

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