Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Erregung. »Ja«, sagte sie mit fester Stimme. »Wir haben noch Kontakt.«
Zu ihrer Überraschung sagte er, bis sie ankamen, nichts mehr. Sie sprang von dem hohen Sitz herunter und lehnte sich hinein, um ihm zu danken, aber er war schon beim Aussteigen.
»Lassen Sie mich lieber nachsehen, ob alles in Ordnung ist«, sagte er. »Das ist das mindeste, was ich tun kann.«
»Nicht nötig. Ich bin sicher, daß die Geister verschwunden sind.« Sie lächelte ihn an, aber sie gab ihm ihren Schlüssel. Das Wissen, daß Diana und Roger auf ihrer Seite waren, hatte ihr neuen Auftrieb gegeben, und sie war neugierig darauf, was er als nächstes tun würde.
Die Lampe im Wohnzimmer war noch an, als sie hereinkamen, und der Holzbrenner war es zu Kates Erleichterung ebenfalls. Greg sah ihn fast anerkennend an, und sie bemerkte, wie er Notiz von dem riesigen Haufen Scheite daneben nahm. Wenn ihn ihre Voraussicht belustigte, gab er das nicht zu erkennen. »Scheint alles in Ordnung zu sein. Soll ich oben auch nachsehen?«
»Nicht nötig. Danke, ich komme schon klar. Ich habe keine Angst.« Sie hatte den Mantel nicht ausgezogen, wartete vielsagend an der Tür. Er sah sich ein letztes Mal um. »Also gut. Wir sehen uns.«
»Danke fürs Heimbringen. Und bitte bedanken Sie sich in meinem Namen noch einmal bei Ihren Eltern für den wunderschönen Abend. Ich habe ihn wirklich genossen.«
»Gut.« Einen Augenblick lang schwieg er und sah sie an. Da war er wieder, der Humor hinter dem ernsten, fast strengen Äußeren, und einen Moment lang dachte sie, er würde sich bücken und sie auf die Wange küssen, wie es sein Vater getan hatte. Sollte er das vorgehabt haben, so überlegte er es sich jedenfalls anders. Er deutete kurz eine Verbeugung an œ den Gruß des Engländers œ und drehte sich um.
Sie blieb einen Augenblick lang stehen und sah zu, wie er in seinen Wagen kletterte, mit dem bogenförmigen Scheinwerferlicht die Dunkelheit durchflutete, wendete und zurück in den Wald fuhr. Sie seufzte erleichtert, als sie die Tür schloß. Das Cottage war warm und sicher, das Feuer an, das Wasser heiß œ sie hatte den Boiler angelassen -, die Tür war abgesperrt, und sie besaß Verbündete. Marcus war nur ein böser Streich, ein Trick.
XX
Sie schaltete die Lampe aus und ging in die Küche. Eine Wolke aus wütenden Fliegen erhob sich und summte um das Licht herum, schlug gegen die Decke und knallte an die Wände. Sie starrte sie voll Ekel an. Woher kamen sie nur? Sie blickte sich um. Sie hatte kein Essen herumliegen lassen, nichts, was die Fliegen hätte anziehen können. Außerdem war es Winter. Sie ging hinüber zur Anrichte und blieb dort stehen. Ein Streifen nassen Torfs lief über die helle Holzoberfläche. Noch mehr davon lag auf dem Boden vor den Schränken. Sie fand auch welchen im Spülbecken. Sie starrte auf die Schüssel aus rostfreiem Stahl und fühlte, wie sich ihr der Magen umdrehte. Es ringelten sich Maden darin. Plötzlich war das Zimmer wieder von diesem süßen, starken Geruch frischer Erde durchdrungen. Ein Geruch, den sie beim Hereinkommen nicht bemerkt hatte.
Sie ballte die Fäuste. Greg. Das hatte etwas mit Greg zu tun. Irgendwie hatte er, während sie weg war, das alles arrangiert. Einer seiner Freunde mußte zum Cottage gekommen sein, mit seinem Schlüssel, wohl wissend, daß sie im Farmhaus war und daß er alle Zeit der Welt haben würde, ihr eine nette kleine Überraschung zu bereiten.
Voller Wut drehte sie beide Hähne voll auf und sah zu, wie die schwarze Erde und die Maden den Ausguß hinuntergewirbelt wurden. Dann machte sie sich daran, den Rest des Drecks wegzuwischen. Was die Fliegen anging, konnte sie nichts machen. Mehrere energische Minuten mit einer zusammengerollten Zeitung brachten nur zwei tote Fliegen als Beute. Morgen würde sie ein Spray kaufen müssen.
Nachdem sie endlich das Licht ausgeschaltet und die Tür fest hinter sich geschlossen hatte, blieb sie am Fuß der Treppe stehen und sah hinauf. Sie zögerte. Was hatten sie dort oben angestellt? Verärgert und sehr müde ging sie festen Schrittes hinauf, machte das Licht im Schlafzimmer an und blieb in der Tür stehen, um sich mit angehaltenem Atem umzublicken. So weit sie sehen konnte, war alles in Ordnung. Mit einem Seufzer der Erleichterung ging sie zu ihrem Bett und zog die Spitzendecke zurück. Die Laken waren nicht angerührt worden. Erleichtert, daß sie nicht irgendeinem kindischen Drang nachgegeben hatten, auch noch ihr Bett zu
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