Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
gewölbten roten Dächer der Stadt zum Glänzen.
Hinter ihm läutete das Telefon. Er trank zuerst sein Glas leer, dann ging er zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
»Bill, hier Jon Bevan.«
Bill machte es sich in seinem Sessel gemütlich. »Hallo. Seit wann bist du denn wieder da?«
»Ich bin noch nicht zurück. Ich fliege morgen heim. Bill, ich bin ein bißchen besorgt. Ich kann Kate nicht erreichen. Ihr Telefon funktioniert nicht. Hast du die Nummer der Leute im Farmhaus?«
»Klar.« Bill griff nach einem überquellenden, schäbigen Filofax, etwas, mit dem er sich erst wohlfühlte, seit sie ganz aus der Mode waren. »Wie läuft‘s denn in der großen weiten Welt?«
»Ganz gut. Ich wollte rausfinden, ob ich in Redall willkommen bin.«
»Da bin ich überfragt. Ich habe diese Woche noch mit keinem dort gesprochen.«
»Dann weißt du also nichts von dem Einbruch?«
»Einbruch!« rief Bill schockiert. »Im Farmhaus?«
»Nein, in Kates Cottage. Sie klang nervös, als ich zuletzt mit ihr gesprochen habe. Fast verängstigt. Ich mache mir Sorgen.«
»Verängstigt?« Bill starrte auf das erregte, kreisförmige Gekritzel, das er auf dem vor ihm liegenden Block gemalt hatte. Er fügte ein paar Spiralen hinzu, und dann ein Auge. »Haben sie viel gestohlen?«
»Ich glaube nicht. Etwas, das sie im Sand ausgegraben hat, nichts weiter. Ich hoffe, es geht ihr gut. Ich bin sicher, es gibt keinen Grund zur Sorge.«
Bill lachte. »Bestimmt nicht, aber ich rufe die Lindseys trotzdem mal an und frage sie. Komisch, gerade habe ich darüber nachgedacht, ob ich heute abend noch hinfahren soll. Ich bin mir nicht sicher. Das Wetter ist ziemlich schlimm hier bei uns.«
»Hier ist es auch nicht besonders.« In Massachusetts warf Jon einen Blick aus seinem Schlafzimmerfenster auf den dichten, weißen Schnee, der über den Garten wirbelte und den Blick auf die Ahornbäume auf der anderen Seite des Gartens verdeckte. »Ich finde, du solltest fahren, Bill. Falls du fährst: Rufst du mich an, wenn du bei ihr warst? Oder sorg dafür, daß sie mich von irgendwo anruft. Warte einen Moment. Ich gebe dir meine Nummer.«
Bill notierte sie. »Ich ruf dich zurück, sobald ich mit ihr gesprochen habe, okay? Keine Angst, alter Junge. Ich bin sicher, Kate geht es gut.« Er versuchte es zuerst mit ihrer Nummer. Die Leitung war tot, wie Jon gesagt hatte. Dann rief er im Farmhaus an. Es dauerte eine Weile, bis jemand den Hörer abnahm.
»Greg?« Bill hatte gerade auflegen wollen. »Hier Bill Norcross. Kann ich mit Diana sprechen?«
»Tut mir leid. Sie sind scheinbar alle ausgeflogen.« Gregs Stimme klang reserviert. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich wollte nur fragen, wie das Wetter bei euch ist. Ich hatte vor, heute zu kommen.«
»Es ist windig, es hagelt, und die Vorhersage ist miserabel. Wenn ich Sie wäre, würde ich in London vor meinem Kamin bleiben und die Beine hochlegen.«
»Haben Sie irgendwas von Kate gehört?«
»Allerdings.« Gregs Stimme wurde noch kälter.
»Geht es ihr gut? Ihr Telefon funktioniert nicht.«
»Es schien ihr bewundernswert gutzugehen, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Topfit, könnte man sagen. Haben Sie es gemeldet?«
»Das mache ich gleich.«
»Gut. Und sobald es repariert ist, können Sie bei ihr anrufen und sie stündlich um den Wetterbericht bitten!«
Bill runzelte die Stirn. »Das mache ich. Danke, Greg.« Er legte auf. Der Bleistift, mit dem er seine Kritzeleien gemacht hatte, brach in zwei Hälften. Er starrte ihn überrascht an. »Bastard«, murmelte er vor sich hm. »Bastard.«
Patrick hatte Kate und Alison nun bereits seit fast zwei Stunden sich selbst überlassen, bis Kate einen Blick aus dem Fenster warf und sah, wie draußen ein altertümliches Gefährt rutschend anhielt. Es wurde von einem Fremden gesteuert, aber sie sah Diana und Roger aussteigen, dicht gefolgt von Patrick.
»Gott sei Dank«, murmelte sie. Alison lag, wieder in Decken gewickelt, auf dem Sofa. Das Mädchen schien zu schlafen.
Kate rannte zur Tür und öffnete.
»Wo ist sie?« Dianas Gesicht war bleich vor Sorge. Sie schob sich an Kate vorbei und ging ins Wohnzimmer.
»Hallo Mum.« Alison schlug die Augen auf. »Was ist passiert?«
Roger blieb in der Diele stehen und hielt Kate am Arm fest. »Darf ich vorstellen: Das ist Joe Farnborough. Er war so freundlich, uns hier rauf zufahren.«
Kate warf einen Blick auf den großen, weißhaarigen Mann, der auf sie herunterstarrte, ohne seine Neugier zu verbergen.
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