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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Teddybär mit einem Ohr. Alle Lichter im Zimmer brannten.
    Ein paar Minuten später erschien Greg in der Tür. »Bist du wach, Allie?«
    Sie schob den Teddybären noch weiter hinunter. »Was?«
    »Wir müssen mal miteinander reden.« Er kam herein und machte die Tür zu. Dann setzte er sich auf den Bettrand und verschränkte die Arme. »Ich weiß, wir haben gesagt, daß wir sie verscheuchen sollten. Kate, meine ich. Ich weiß, daß ich eine Menge Zeug gesagt habe. Daß sie im Weg ist und so. Ich habe es auch so gemeint. Die Frau nervt.« Er schwieg eine Weile und schaute nachdenklich auf seine Füße.
    »Sie war nett zu mir«, sagte Alison schließlich. In ihrer Stimme war nichts von der üblichen Schrillheit.
    »Was ist wirklich passiert, Allie?« Er sah sie wieder an. »Dort draußen. Du hast nicht nur versucht, ihr Angst zu machen, oder?«
    »Nein.« Sie klang sehr kleinlaut.
    »Also. Was ist passiert?«
    »Nichts.«
    »Irgendwas muß passiert sein.« Er legte seine Hand einen Moment lang auf den Höcker, den ihre Schulter unter dem Federbett erzeugte. »Komm schon. Mir kannst du es sagen.«
    »Es ist die Wahrheit. Es ist nichts passiert. Ich habe nichts gesehen. Es waren nur so Gefühle.« Ihr Mund begann zu zittern. Sie setzte sich auf und holte trotzig den Teddy nach oben und drückte ihn an die Brust. In ihrem Nachthemd von grüner Leuchtfarbe und mit den Haaren im Gesicht sah sie aus wie sechs.
    Greg war erstaunt über die Welle von Zuneigung, die ihn überrollte. »Was für Gefühle?« fragte er zärtlich.
    Sie runzelte die Stirn. »Furcht. Wut. Haß. Sie haben mich angefallen, es war ein wildes Durcheinander in meinem Kopf, so ein roter Wirbel. Es hat weh getan.« Ihre Augen waren voller Tränen.
    Er starrte sie an, aber er sah sie nicht. Er sah eine kleine Frau mit grauen Haaren in einer hellblauen Steppjacke, die schlecht zu den hohen Absätzen paßte. »Ich sah Sie herumtorkeln… ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht Epileptiker sind oder so…« Die Stimme hallte in seinem Kopf wider. Unter den dicken Schichten seines warmen Hemds, seines Lambswoolpullovers und der uralten Tweedjacke spürte er, wie die Gänsehaut seine Arme hochkroch. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Was ist los?« Ihre Augen waren riesig und rund, die Pupillen erweitert. »Fehlt dir was?«
    »Nein. Mir fehlt nichts, Schatz.« Er nannte sie nie so. Der Kosename machte ihr noch mehr Angst als zuvor sein besorgtes Gesicht.
    Er stand auf. »Hör mal, Allie. Du mußt jetzt endlich schlafen. Okay? Leg dich wieder hin, und ich decke dich zu.« Er beugte sich über sie, als sie auf den Kissen nach unten rutschte, zog das Federbett hoch zu ihrem Kinn und tätschelte ihr Gesicht mit unbeholfener, ungewohnter Zärtlichkeit. »Soll ich das Licht ausmachen?«
    »Nein!«
    Er sah sie durchdringend an. In dem gedämpften Wort, gefiltert durch den abgewetzten Pelz des Teddybären, lag der Klang echten Schreckens.
    »Okay. Ganz ruhig.« Er versuchte zu lächeln. »Schlaf gut, Trottel.« Das war es schon eher. Normaler.
    Unten saßen die anderen um den Kamin und hielten Becher mit dampfendem Tee in den Händen. Greg stellte sich mit dem Rücken zur Kaminecke in Positur œ ein Redner vor seinem Publikum. »Wir müssen dieses Grab zuschütten. Alison darf nicht wieder da hingehen, und ich persönlich finde, daß Kate aus dem Cottage ausziehen sollte.«
    »Damit Sie wieder einziehen können.« Kate sprach diese Worte freundlich aus, aber in ihrem Gesicht sah er eine Härte, die eine Menge über ihre Entschlossenheit zu bleiben sagte und, damit er es wußte, über ihr zunehmendes Unbehagen in seiner Gesellschaft.
    Er seufzte. »Nein. Tatsächlich habe ich im Moment kein Verlangen, dort wieder einzuziehen. Aber wollen Sie wirklich da bleiben? Nach allem, was passiert ist? Ich glaube nicht, daß Sie gut vorankommen, wenn Sie dauernd dabei unterbrochen werden.«
    »Tatsächlich arbeite ich im Moment sehr gut, vielen Dank«, gab Kate zurück. »Und es wäre sehr engstirnig von mir, wenn ich mich über die Zeit ärgern würde, die ich mit Alison verbracht habe. Sie ist ein nettes, intelligentes Mädchen. Ich mag sie immer lieber. Ich weiß nicht, wieso sie draußen bei der Grabungsstelle geblieben ist. Aber ich bin sicher, sie wird alles erklären, wenn es ihr besser geht. All das hat mir jedenfalls in keinster Weise die Lust genommen, weiter in Redall Cottage zu wohnen. Diese Schlösser, die Ihre Eltern für mich angebracht haben, geben mir ein Gefühl,

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