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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Schlamm stapfen, um Kate zu besuchen.
    Es war ihm nie in den Sinn gekommen, daß sie nicht zu Hause sein könnte. Er spähte durch die Fenster ihres Cottage. Der Ofen war an, er konnte den Schein des Feuers sehen. Er deckte seine Augen ab, als er sich näher heranbeugte. Ihr Schreibtisch war unaufgeräumt, als ob sie mitten in der Arbeit aufgestanden und weggegangen wäre. Und die Lampe auf dem Tisch in der Ecke war angeschaltet. Er warf einen Blick über die Schulter, hin zum Strand. Vielleicht war sie spazierengegangen.
    Er rutschte mit seinen Gummistiefeln immer wieder im nassen Sand und Kies aus, als er sich auf den Weg zum Meer machte. Schließlich stand er am Strand und blickte angestrengt in beide Richtungen. Der Schneeregen war ins Landesinnere getrieben worden. Über ihm waren die Wolken immer noch dicht, aber sie standen jetzt höher am Himmel, und man sah hin und wieder einen blauen Fleck. Die Hände tief in die Taschen gesteckt, warf er die Schultern zurück und atmete tief ein. Es war eine unbesonnene Handlung und führte zu einem Hustenanfall, aber wenigstens bekam er die ersehnte frische Luft. Er kicherte vor sich hin und ging dann mit schnellen Schritten über den Sand, als er nach Norden den Strand hinaufmarschierte. Die See war mürrisch, hob und senkte sich drohend am Horizont, eine sich bewegende feste Masse scheinbar wellenlosen Wassers. Die Flut war halbhoch, schätzte er, und sie kroch lustlos näher, geiferte bei jeder Vorwärtsbewegung Tang und Muscheln auf den Strand, bevor sie in die schwarzen Tiefen zurückglitt, um Kräfte für den nächsten Angriff auf den Sandstrand zu sammeln.
    Er ging nicht allzu weit. Der Wind in seinem Gesicht war nicht stark, aber er war beißend kalt. Er drehte sich um und schaute den Weg zurück, den er gekommen war. Nirgends eine Spur von Kate. Keine Fußspuren im Sand, die angezeigt hätten, wo sie gegangen war. Enttäuscht kehrte er um. Frische Luft einatmen. Man konnte auch zuviel davon kriegen. Er ging den Strand hinunter bis zum Ende der Dünen und kletterte hinauf, um besser auf die andere Seite der Flußmündung sehen zu können. Sie war voller Leben. Er sah viele Gänse, und es herrschte ein reges Treiben. Er konnte sie jetzt hören. Sie plauderten miteinander, zankten sich, schnatterten, als sie sich über das ruhige Wasser verteilten, auf die tiefliegenden Inseln und die salzigen Landzungen zu. Er mochte die Gänse. Sie waren fröhliche Gesellen, und wenn sie da waren, konnte man sich unmöglich einsam fühlen. Er konnte nicht verstehen, warum die Leute sie abschießen mußten. Aber es gab eben Leute, die bei der geringsten Gelegenheit alles umbrachten, was sich bewegte. Schulterzuckend zog er seine dick gefütterte Jacke fester um sich, drehte sich um und blieb abrupt stehen. In der Ferne stand eine Frau auf einer der anderen Dünen. Sein Herz hüpfte vor Freude.
    »Kate!« rief er. »Hier drüben.« Er winkte.
    Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Er konnte sehen, daß sie in irgendein langes Kleidungsstück gewickelt war. Ihr Haar flatterte im Wind.
    »Kate!« Er legte die Hand an den Mund und brüllte. Das Problem war, daß der Wind von ihr zu ihm blies und seine Stimme davontrug. Einige der Gänse hatten ihn bemerkt, und er hörte eine Salve von ängstlichen Warnschreien. Er sprang von der Düne herunter und rannte durch den tiefen, weichen Sand auf sie zu. Er spürte, wie ihm unter der dicken Jacke der Schweiß ausbrach. Schnaufend und überzeugt, daß er gleich einen Herzanfall bekommen würde, kletterte er die Düne hoch, auf der sie gestanden hatte. Sie war nirgendwo mehr zu sehen. Er blickte nach unten. Die halbe Düne war weggebrochen und auf den Strand gefallen. Er konnte sehen, wo die Flut den Sand zu tangbedeckten Beutehaufen gewaschen hatte. Inmitten des Durcheinanders lag eine tote Krabbe auf dem Rücken. Er rümpfte die Nase. Rutschend und springend kämpfte er sich zurück auf den Strand, wo er sich angestrengt umschaute. Wo zum Teufel war sie hingegangen? Von draußen im Meer zog allmählich der Abend herein. Er konnte den Nebel sehen, der ein Vorbote der kommenden Dunkelheit war. Noch wartete sie am Horizont.
    Verärgert marschierte er zurück zu ihrem Cottage. Offenbar hatte sie ihn nicht gesehen. Na, er konnte ihr nicht böse sein, wenn sie zurück ins Haus wollte. Es wurde deutlich kälter. Er konnte die eisige Kälte auf seinem Körper spüren, als der Schweiß trocknete. Plötzlich fühlte er sich sehr allein.
    Das Cottage war

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