Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
vollgeladen und Cesare sehr bestimmt mitgeteilt, dass es die geringere Schande war, von einer deutschen Eine-Frau-ein-Mann-Firma übernommen zu werden als von einem Mailänder Wollgiganten. Als gebürtige Süditalienerin empfand Cesares Mutter alle Landsleute oberhalb von Florenz als fremd, arrogant und rücksichtslos. Und dann hatte ihr Sohn mir versprochen, die Zahlen zusammenzutragen, damit ich kalkulieren konnte. Superidee war das: Ich würde Felix für eine Übernahme mit ins Boot holen – und die tollen Farben von Cesares Spinnerei würden Wunderland für alle Zeiten exklusiv gesichert sein. Schade nur, dass ich zwar begeistert, aber so rotweinduselig war, dass ich mich nicht dazu aufraffen konnte, noch einmal das Haus zu verlassen, um im Café Garni nach meinem Handy zu fragen, das ich weder in der Ape noch in meinem Gästezimmer gefunden hatte.
6
»Lass uns bitte einen Moment warten, es kommt noch jemand«, bremste ich die Frau in der Jack-Wolfskin-Jacke, die nervös auf einer Pobacke balancierte und um Punkt sechs Uhr aufsprang, um die Tür meines Ladens zu schließen.
»Vorausgesetzt, er hat nicht abgesagt. Aber wir können gerne schon mal anfangen, uns vorzustellen. Erzählt mir doch einfach kurz, wer ihr seid und ob ihr schon eine Vorstellung habt, was ihr gerne stricken möchtet.« Ob dieser Strickkurs-Rainer überhaupt eine Bestätigungs- SMS geschickt hatte, konnte ich nicht sagen. Ich hatte mich damit abgefunden, mein Telefon wahrscheinlich zwischen den Sitzpolstern des Italienexpress vergessen zu haben. Ich schaute einigermaßen schlecht gelaunt auf die drei Frauen und die zwei Kinder, die sich um meinen Ateliertisch versammelt hatten. Auf nichts hatte ich jetzt weniger Lust als auf einen Strickkurs, vor allem, wenn ich ihn leiten sollte. Aber schließlich hatte ich selbst in Bioläden, auf Spielplätzen, in der AKÜ und in Charlottes Yoga die Flyer für einen »Selbermachen macht glücklich – Stricken mit und für Kinder« - Kurs verteilt. Und jetzt musste ich da durch.
Mir war irgendwie übel. Wahrscheinlich immer noch vom Fliegen, der Landeanflug nach Tegel schaukelte mich in der turbulenten Höhe zwischen Wolken und Alexanderturm immer so durch, dass ich danach einen halben Tag brauchte, bis mein Sonnengeflecht wieder ein intaktes Geflecht war und nicht ein wirres Knäuel seekranker Nervenenden.
»Also, ich bin die Bille«, begann die Frau in der schwarz-roten Windjacke die Vorstellungsrunde, »und das« – sie zeigte auf einen Jungen, der zu ihren Füßen vor einer Brotzeitbox in Bananenform saß und sehnsüchtig zur Spielecke schielte, wo ein Mädchen gerade den Deckel von einer großen hölzernen Schatzkiste hebelte –, »das ist unser Zweitältester, der Lucca, und montags hat er bisher noch keinen Kurs. Dienstags ist er nämlich in Philosophie, mittwochs in Chinesisch und donnerstags und freitags mit seiner großen Schwester Luna beim Geschwisterrivalitätspräventionskurs.«
»Geschwister-was?«, fragte ihre kostümtragende Sitznachbarin und ließ ihr BlackBerry sinken. Sie war die Einzige, die ohne Kind erschienen war.
»Geschwister-riva-li-täts-prä-ven-tions-kurs«, wiederholte Bille eifrig und holte gleichzeitig aus der ausgebeulten linken Seitentasche ihrer Jacke eine Packung mit Feuchttüchern, um ihrem Lucca den bananenverschmierten Mund abzuwischen und die Brotzeitbox wieder in ihre rechte Seitentasche zurückzustecken. Die ganze Zeit über schwebte ihre linke Pobacke über der Sitzfläche.
»Lucca und Luna haben seit zwei Wochen eine kleine Schwester, die Leonie.«
»Seit zwei Wochen? Und da gehst du schon in einen Strickkurs?«, fragte ich beeindruckt.
»Klar.«
Bille neigte sich noch ein wenig weiter nach links.
»Nur der Dammschnitt macht mir noch ein wenig Probleme. Bevor Leonie alt genug ist fürs PEK i P , dachte ich, ich mach einfach mal was für mich. Und für den Lucca natürlich«, fügte sie hastig hinzu. »Er wird doch hier nicht einfach nur herumsitzen, oder? Ich habe ihn nämlich bisher noch nicht für die Ergotherapie angemeldet, um seine Feinmotorik zu schulen, und er ist doch jetzt schon zwei!«
»Mach dir da keine Sorgen«, beruhigte ich sie und sah zu, wie Lucca lautlos begann, unter dem Stuhl seiner Mutter hindurch nach hinten Richtung Spielecke zu rutschen, »Lucca kann hier spielen, was er möchte.«
Ich sah in Billes zweifelndes Gesicht. »Spielen?«, wiederholte sie überrascht.
»Und ansonsten habe ich mir auch ein Kinderprogramm
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