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Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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dachte ich, Felix und unsere Beziehung würden sich vor allem dadurch auszeichnen, dass er mich nie in eine derartige Situation gebracht hatte und auch nicht bringen würde: mich nämlich zu fühlen wie eine Bravo-Leserin, die vor ihrer Freundin nervös auf und ab tigert, weil ihr Herzbube aus der 7 a immer noch nicht auf ihre Smiley- MMS reagiert hat.
    »Wann musst du los? Ich glaube, ich komme ein Stück mit«, fragte ich Charlotte, um mich abzulenken.
    »Jetzt! Ich muss zur Tram!«, drängte sie. »Die Produktion zahlt noch nicht mal das Taxi.«
    Charlotte war der Überzeugung, dass man als Schauspielerin niemals mit dem eigenen Auto ans Set fuhr, schließlich musste man die letzten Meter noch einmal richtig in sich gehen, auch als Eiskugel. Deshalb ließ sie vor den Drehs ihren Einser- BMW , ihre »Ich bin die Geliebte eines wichtigen Mannes«-Kutsche, meistens bei mir in der Stadtmitte stehen, um sich dann ein Taxi zu nehmen, und kam vor und nach dem Dreh bei mir vorbei, um mir alles sofort erzählen zu können.
    »Ich dachte, das ist ein Werbefilm, die haben doch Geld?«, fragte ich. Charlotte schüttelte den Kopf und nahm die Sonnenbrille aus den Haaren, um sie aufzusetzen.
    »Denkste. Das Drehen eines Zweiminutenspots ist die Semesteraufgabe an der Filmhochschule Babelsberg, da arbeiten alle umsonst. Das Schlimmste bei diesen Low-Budget-Produktionen ist aber nicht das Geld, sondern dass alle immer meinen, ihre Kinder und Hunde mitbringen zu müssen. Die nerven vielleicht! Die Kinder, nicht die Hunde! Immer dieses Geschrei am Set, da kann sich doch keiner auf die Arbeit konzentrieren, findest du das professionell? Aber der Regisseur kennt Bernhard, und dann konnte ich schlecht Nein sagen, denn Bernhard weiß natürlich, wie ich gebucht bin. Und er meinte, das wäre eine gute Übung für mich, ich wäre sowieso noch nicht reif für die große Rolle.«
    Natürlich wusste Bernhard Zockel genauso wie ich, wie es um Charlottes Engagements stand. Nämlich mager, sehr mager. Mich wunderte das. Denn Charlotte war schön. Klassisch schön. Eine dieser Frauen, wie sie nur aus Hamburg kommen: hochgewachsen und blond, aufrecht, große blaue Augen, die Gesichtszüge symmetrisch, aber nicht zu fein, sodass sie nichts Puppenhaftes hatten. Ob sie eine gute oder schlechte Schauspielerin war, wusste ich nicht, denn ich hatte sie noch nie in einer Rolle gesehen, in der sie tatsächlich auch Text hatte. Sie hatte es zwar letztes Jahr in einen »Tatort« geschafft, dort aber nur eine vom Donner gerührte sexy Sekretärin spielen dürfen, die dickbusig und stumm auf die Tür zeigte, durch die der Täter verschwunden war.
    Der einzige Grund, warum Charlotte von Feyerabend es nicht nötig hatte, in einer zugigen Kaffeehauskette genmanipulierte Sojamilch zu überteuerten Phantasiegetränken aufzuschäumen, war ihre Beziehung zum Filmproduzenten Bernhard Zockel. Und der konnte offensichtlich keine erfolgreiche Partnerin brauchen, die ihre eigenen Filme anpromoten musste, sondern wollte eine blitzlichtfeste Begleitung auf dem roten Teppich seiner Filmpremieren, basta. Deshalb umgab er Charlotte in seiner Potsdamer Villa mit schönen Dingen und neuen Handtaschen und sah ungerührt zu, wie sie sich abmühte, endlich eine dialogreiche Hauptrolle an Land zu ziehen. Und redete ihr ein, dass sie es sowieso nicht gekonnt hätte.
    Das war wenigstens meine Theorie. Aber die behielt ich für mich, so hatte ich wenigstens eine Freundin mit einem wunderbar trockenem Humor, die Zeit für mich hatte, weil ihr Macker nie zu Hause war – ich wenigstens war ihm in seiner Ruhmeshalle, wie ich insgeheim die üppig mit Fernsehpreisen garnierte Gründerzeitvilla nannte, noch nie begegnet. Nicht zuletzt, weil er noch Frau und zwei Kinder in Köln sitzen hatte.
    »Ich bring dich zur Tram«, bot ich Charlotte an und holte meine neuen Stiefel und den dunkellila Wildledermantel, in die ich in Bozen meine Spesen investiert hatte (eine einmalige Okkasion!), ich hatte sowieso noch nicht offiziell geöffnet. Morgens um neun war in Berlin keine Mutter unterwegs, und ich wollte mir in der juristischen Bibliothek in der Dorotheenstraße noch einen Schinken über Gesellschaftsrecht und die Gründung einer GmbH abholen.
    Die Straßenbahn quietschte, als sie sich mit Charlotte drin um die Kurve legte. Die Kastanien am Schienenrand sahen aus, als wäre es Herbst und nicht Frühling. Cesares unermüdliches Referieren über Pflanzen, Tiere, Wolle und Schädlinge hatte seine

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