Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
begeistertem Rattatatata seinen Polizeihubschrauber einen knappen Millimeter über die sorgfältig zusammengelegten Pulloverstapel fliegen.
»Nein, ich lass das mal mit dem Stricken, ich kaufe und verkaufe lieber. Ich nehm dann mal den Pulli, den sich Gustav ausgesucht hat!«, grinste sie und zog die Nadeln aus dem verfilzten Gebilde, mit dem sie sich die letzten zwei Stunden herumgequält hatte.
»Okay«, lachte ich, »überredet!«, und quittierte ihr einen Wunderland-Pulli mit Polizeiautoknöpfen. Ich gab ihr zehn Prozent, wie nett, dass auch sie aus der Modebranche war, sie hatte als alleinerziehende Mutter nur keinen passenden Job mehr gefunden.
»Ich habe eine gute Nachricht«, drängelte Charlotte ungeduldig von der Seite und hielt sich demonstrativ die Ohren zu, als Gustav seinen Hubschrauber direkt vor ihr notlanden ließ.
»Ich auch!«, antwortete ich, winkte Marie und ihrem Sohn zum Abschied nach und legte den Zettel mit Maries Nummer in mein Gästebuch.
»Erst du!«, fügte ich hinzu, obwohl ich genau wusste, dass ich Charlotte dazu nicht extra auffordern musste.
»›Walküre 2 ‹ wird richtig fett«, schwärmte sie bereitwillig los, »das Drehbuch hat dreihundertfünfzig Seiten, und auf hundertachtzig Seiten kommt meine Rolle vor! Stell dir das vor, endlich kann ich richtig spielen! Endlich kann ich zeigen, was in mir steckt! Das ist meine Chance! Und das Beste ist: Dolce & Gabbana hat in der Sommerkollektion ein phantastisches Kleid, das aussieht wie original aus den Vierzigern – und die Ausstatterin hat gesagt, vielleicht kann sie es bestellen, und ich kann es dann behalten, weil – so große Frauen wie mich haben sie selten!«
»Respekt!«, gratulierte ich ihr und nutzte Charlottes kurze Atempause, um einzuschieben: »Ich habe auch die Chance, zu zeigen, dass in mir mehr steckt als eine kleine Boutiquenbesitzerin – und zwar im Alleingang! Der Missoni-Strickclan wird in ein paar Jahren Peanuts sein gegen mich! Jetzt muss ich nur noch irgendwie an Geld kommen! Und zwar an Kapital, nicht an einen Kredit – ich hasse Schulden!«
Charlotte versprach mir, den steinreichen Zockel so bald wie möglich nach einer Beteiligung zu fragen. Und so steckte ich dem Eilboten der neuen weiß-grün gekleideten Postkonkurrenz fünf Euro Trinkgeld zu, weil ich gerade erst gelesen hatte, wie beschissen sie verdienten und weil heute so ein toller Tag gewesen war. Auch ohne Felix. Der Bote dankte schwitzend und legte zwei kleine Päckchen auf den Tisch.
»Ah, schon wieder ein neues Handy, Glückwunsch, was ist denn mit dem passiert, das ich dir geliehen habe?«
Ups, das hatte ich Charlotte noch gar nicht gebeichtet.
»Das habe ich eingesaugt. Sorry.«
Charlotte schüttelte denn Kopf, Gott sei Dank eher amüsiert als sauer.
»Eingesaugt? Wie kann man denn ein Telefon einsaugen?«
»Nun, ich war mit dem Volvo unterwegs, und dann ist mir plötzlich aufgefallen, wie schäbig und schmutzig er innen aussieht, und dann bin ich an die Tanke, zu einem dieser Saugautomaten, du weißt schon, fünfzig Cent einwerfen, und dann kämpfst du mit diesem Saugrüssel wie mit einer Anakonda? Und dein Handy war wohl unter den Sitz gerutscht, und der Schlitz in der Düse war ein kleines bisschen größer, und dann … ich meine, warum sind die Dinger denn inzwischen auch so klitzeklein? Haben nur deshalb so viele Leute so ein blödes i-Dings, weil man es nicht so leicht einsaugen kann? Aber auf jeden Fall habe ich dann den Tankwart gefragt, und der hat dann seinen Chef geholt, und dann haben wir gemeinsam diesen riesigen Staubtank geöffnet, aber dein Handy war irgendwie …«
»Das genügt, das genügt …«, grinste Charlotte, »den Rest kann ich mit vorstellen, Schwamm drüber, Bernhard kauft mir jederzeit ein neues Telefon, wenn ich das möchte, es gibt Wichtigeres als so ein dummes Handy. Ich frage mich nur, warum du dein Auto zehn Jahre lang nicht saugst und dann ausgerechnet jetzt? Und gleichzeitig deinen Teppich shampoonierst und mir Szenen machst wegen Ikea-Katalogen? Das muss was mit Felix’ Abwesenheit zu tun haben, wahrscheinlich willst du nicht nur in deiner Beziehung aufräumen, sondern auch in deiner Umgebung. Oder: wenn schon keine Klarheit in der Liebe, dann wenigstens saubere Autositze. Feng Shui für Anfänger!«, schloss sie weise und griff neugierig nach dem zweiten Päckchen.
»Und das andere ist aus der Schweiz? Was bekommst du denn aus der Schweiz?«
Ich hatte keine Ahnung und fummelte einen
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