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Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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gerne Ski gelaufen! Warum hatte ich nicht wenigstens ein Mal versucht, mich auf ein Surfbrett zu stellen oder mich in Berlin auf etwas anderes als ein Hollandrad zu setzen? Warum hatten wir nicht schon viel früher begonnen zusammenzuarbeiten? Warum hatte ich ihn nicht mit Cesare zusammengeführt – vielleicht hätte der Biologe helfen können mit seinen Kontakten zu gutem Biofleisch? Warum war Felix nicht einfach einmal mit nach Bozen gekommen? Warum waren wir nicht auch nur ein einziges Mal im Müggelsee schwimmen gewesen? Hatten immer nur darüber geredet und stattdessen unseren wahnsinnigen Alltag nebeneinander her gelebt wie Duracell-Hasen, und ich hatte die ganze Zeit gedacht, das würde reichen, um zusammenzubleiben. Ich hatte keine Ahnung, was ich getan hatte, das ihn über Nacht zum Fremden hatte werden lassen – war das nicht schlimm, dass ich das nicht wusste?
    »O Gott«, sagte Charlotte, »was ist das denn?«
    Ich schob sie beiseite und sah das Foto eines weißen Zickleins, so knuffig und niedlich, dass ich den aufgetriebenen Bauch erst auf den zweiten Blick sah. Es lag auf der Seite, die kleinen Hufe voller Stallstreu, die Augen weit offen, und war tot.
    Cesare hatte mir eine Mahnung geschickt, im italienischen Stil. Ich konnte wahrscheinlich froh sein, dass er mir den Kadaver nicht mit der Post geschickt hatte.

11
     
    Schmusewollechef Cesare war in der Schweiz. Auf einem Biologenkongress zum Klimawandel. Mit seiner Mama. Nachdem letzte Woche zwei Lämmer an einer Vergiftung gestorben waren und Cesare glaubte, dass der Klee schuld war, der sich in diesem zu warmen Frühling in die Hochweide geschlichen hatte, war einmal mehr klar, dass etwas passieren musste, um die Tiere in höher gelegene Weiden zu schaffen. Und er hielt mir abends am Telefon einen Vortrag, der sich gewaschen hatte: »Ich dachte, wir sind Freunde? Du hast gesagt, du brauchst Sonnengelb, und ich habe ein Sonnengelb entwickelt. Du hast angerufen, du willst zweifädigen Kaschmir für den Sommer, und ich habe die Maschinen umgestellt. Sofort. Und jetzt warten wir einmal auf dich, ich, Mama und die Ziegen – und nichts passiert. Meinst du, meine Leute in der Fabrik haben von den toten Tieren nicht gehört? Meinst du, sie werden darauf warten, dass die Unterwolle immer weniger wird und wir keine Qualität mehr liefern können? In Bozen gibt es genügend zu tun, dann helfen die Arbeiter eben bei der Obsternte, bevor sie sich an die Spinnmaschinen setzen mit einer ungewissen Zukunft. Wie soll ich ihre Arbeitsplätze retten, wenn du dein Versprechen nicht einhältst?«
    Ich hatte den Teppichschaum abgewischt, der am Telefonhörer klebte. Mein immer stärker werdender Drang, in Felix’ Abwesenheit alles, aber auch alles auf Vordermann zu bringen und in neuem Glanz erstrahlen zu lassen, hatte auch vor dem Flokati im Wohnzimmer nicht haltgemacht. Und ich hatte wenigstens nicht über das nachgedacht, was mir Felix heute mitgeteilt hatte. Dass er sich verziehen würde, irgendwohin nach Kalifornien, wo er mich nicht dabeihaben wollte. Solange ich schrubbte wie eine Wilde, war der Schock kaum spürbar. Aber jetzt schüttelte ich den Kopf. Wie konnte ich mich nur mit so etwas verzetteln und auch noch zweimal Teppichshampoo im Drogeriemarkt holen, wenn ich gerade dabei war, das zu verlieren, was meine Babymode so unverwechselbar machte – nämlich weichsten Kaschmir in knalligen Farben? Ich war nur ein kleines Label, noch! Aber niemand hatte weichere und buntere Kindermode! Wie konnte ich nur einem Ikea-Katalog mehr Gewicht geben als dem braunen Pappumschlag mit Cesares Kalkulation? Seit Tagen lag der ungeöffnet auf dem Fensterbrett in der Küche, neben der Schale mit den ungegessenen Äpfeln, die zwar schön aussahen, aber nach Knoblauch schmeckten.
    Cesare war noch nicht fertig: »Ich will nicht zu Lana Grossa, Bellissima , aber sie haben mir ein super Angebot gemacht, und ich muss handeln. Wir müssen die Ziegenalm spätestens im nächsten Frühjahr nach oben verlegen und Heu zufüttern. Und das kostet Geld. Wie viel, solltest du längst wissen, ich habe dir die Kalkulation geschickt. Und du hast dich nicht einmal gemeldet, dass du sie bekommen hast.«
    »Du hast recht«, sagte ich und zurrte den Schal fester, den ich mir um die Lenden gebunden hatte. Seit ich in diesem Treppenhaus gesessen hatte, zog es mir wahnsinnig in den Nieren. »Ich werde halten, was ich versprochen habe, und ich werde Cashmiti übernehmen. Gib mir nur noch ein paar

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