Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
gut!«, winkte ich ab. »Deine Cousine Marissa war sicher eine ganz tolle Schwangere. Aber wenn sie dir mal wieder über den Weg läuft, dann richte ihr bitte aus, dass für mich Glockenblumen überhaupt nicht infrage kommen. Aber gegen Clematis ist tatsächlich nichts zu sagen. Außerdem ist Clemens ein schöner Name«, überlegte ich und schlug ein Notizbuch auf der Seite auf, in der ein dünner schwarzer Filzstift eingeklemmt war, »ist jetzt nichts Besonderes, aber wer will sein Kind schon Odysseus nennen?«
»Aber warum schreibst du denn gleich so viele Namen auf? Jungs und Mädels? Das sind ja zehn Seiten!«, schaute Charlotte mir über die Schulter.
»Kann mich eben nicht entscheiden«, sagte ich und klappte schnell das Buch zu. Fehlte noch, dass Charlotte das größte meiner vielen Geheimnisse herausfinden würde.
Charlotte schüttelte den Kopf. »Also, meine Cousine Marissa wusste schon in der achtzehnten Woche …«
»Ja ja«, schnitt ich ihr das Wort ab, »schon klar. Könnte ich auch. Aber ich will es nicht wissen. Mit Absicht.«
»Eigentlich schlau von dir«, sagte Charlotte nachdenklich, »denn ich wüsste auch nicht, was das kleinere Übel wäre, Junge oder Mädchen. Mädchen sind vielleicht am Anfang ganz süß, aber dann werden sie zickig und magersüchtig und schnippeln am Ende auch noch an sich rum. Und ein Junge fällt mit sechzehn vom Motorrad, und dann kannst du wieder von vorn anfangen.«
Charlotte drückte sich gegen die Wand, damit ich an ihr vorbeikam, als ich auf die Toilette ging, meine Blase schien sich täglich zu verkleinern, und sagte mit einem Blick auf meinen Bauch: »Am besten, man fängt gar nicht erst an mit dem Kinderkriegen.«
»Blöde Kuh! Dafür ist es jetzt zu spät!«, rief ich laut gegen mein Plätschern an. »Und außerdem: Leute ohne Kinder werden wunderlich, abonnieren die ›Elle Deco‹, wissen nicht, wohin mit ihrem Geld, und kaufen sich alte Porsche 911 , die aber auch nicht glücklich machen, fangen an zu saufen und streiten sich mit ihren Ehepartnern darum, ob sie das Landhaus in Weiß oder Creme einrichten. Irgendwer muss mich ja im Altersheim besuchen kommen.«
»Dafür redest du nur mehr über Kopfläuse, Mittelohrentzündungen und dass andere Mütter ihre Kinder nicht im Griff haben, während bei dir selbst das Chaos tobt! Und du glaubst doch nicht im Ernst, dass dich die im Altersheim besuchen kommen, die undankbaren Bälger?«
»Was weiß ich«, sagte ich erschöpft und ließ mich vorsichtig wieder auf der Couch nieder, »und was ist eigentlich mit dir? Bist du auch schwanger, oder warum bist du so zickig heute?«
Ich zeigte auf Charlottes ordentlich in den Hosenbund gesteckte Bluse. Denn die bildete über dem Hermès-Gürtel eine Falte, die eindeutig mit herausquellendem Bauch gefüllt war.
Charlotte zuckte zusammen.
»Du spinnst«, sagte sie, »das kommt davon, wenn man immer diese unkultivierten Snacks zu sich nimmt. Essen im Stehen bläht. Ich geh jetzt erst einmal eine richtige Mahlzeit zu mir nehmen.« Und dann fügte sie leise hinzu: »Und außerdem hab ich noch meine Tage bekommen, da bin ich immer so aufgeschwemmt.«
War das Charlotte gewesen, die da geradezu jämmerlich geklungen hatte?
»Da warst du doch früher immer schmerzfrei, oder?«, fragte ich erstaunt. »Was geht mich der Frauenkram an, Augen zu und durch, hast du immer gesagt, von Tante Rosa hast du dir doch früher nicht den Tag vermiesen lassen?«
»Ach, lass mich doch in Ruhe!«, blaffte Charlotte, und weg war sie, ohne mich zu fragen, ob sie mir etwas mitbringen sollte. Also, auch wenn Charlotte nichts mit Kindern anfangen konnte – ich war schließlich kein Kind, sondern ihre beste Freundin und hatte eindeutig eine freundlichere Behandlung verdient!
Ich träumte aus dem Fenster, dachte an Charlotte und den Beginn unserer Freundschaft. Ein ungleiches Paar waren wir immer gewesen, aber dann kamen wir uns bei den Männern wenigstens nicht in die Quere, und ich mochte es, dass Charlotte aus einer so ganz anderen Welt kam – und sie wusste immer so viel, las Zeitung, kannte sich aus in Politik und Geografie, und man konnte mit ihr über die Absatzhöhe eines Wertpapiers genauso diskutieren wie über die eines Samstagabendschuhwerks. Und sie besaß Dinge, die überflüssig, unpraktisch und luxuriös waren. Besagten Christbaumkugelkoffer eben. Einen Picknickkoffer – mit Meißner Porzellan und einem silbernen Piccolokühler, in den wir immer kleine Flaschen Aperol Sprizz
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