Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
gestellt hatten, wenn wir uns im Treptower Park an die Spree gesetzt hatten. Sie hatte vom Segeln erzählt, ich von den Bergen, und dass ihr Bernhard so pingelig war wie mein Felix schlampig.
Ich seufzte schlecht gelaunt. Wie gern wäre ich jetzt nach draußen gegangen!
»Tnfff!«, meldete sich mein nächster Anrufer.
»Hör mal zu, du, du Wurm!«, schimpfte ich los, »wir gehen heute mal raus, und du wirst dabei meine drei Windhunde halten! Und bilde dir bloß nicht ein, dass du vor mir gehen darfst, immer schön einen Meter hinter mir, sonst kriegst du eins übergebraten!«
So kam ich doch noch zu meinem Spaziergang, wenn auch nur in meiner Phantasie und in zwölf Zentimeter hohen Stilettos und einem Lackoverall. Der autoritätsliebende Adrian meldete sich fast täglich – manchmal aus der Klinik, meistens von unterwegs – und telefonierte so lange mobil mit mir, dass mein Umsatz für den Tag gesichert war. Ich wusste inzwischen, dass er von allen möglichen Airlines Platinkarten besaß, mit denen er in den Transitlounges der Flughäfen Zutritt zu kundenfreundlichen »Relaxkabinen« hatte. Und von da aus rief er mich immer wieder an, ließ sich von mir anpflaumen und tauchte dann wieder ein in den Rummel der internationalen Drehkreuze, die ihn zu weiß Gott welchem wichtigen Job bringen sollten. Und dann war da noch Patella-Mike, der schüchterne Student, der mich dazu bewogen hatte, mir von Alex den Pschyrembel, das medizinische Standardwerk überhaupt, hinunterbringen zu lassen und mir einen Einmerker bei B wie Bein zu machen, Mike bekam nun mal gerne etwas davon vorgelesen.
Ich hievte mich hoch, um beide Fensterflügel mit den altmodischen Riegeln einen Spaltbreit zu öffnen, durch die Lücken der frisch bepflanzten Blumenkästen schien die Außenwelt noch ein Stück weiter weggerückt. Draußen war es bereits sommerlich, wenn man den wenigen Sonnenflecken im sonst dunklen Hof trauen konnte. Das surreal große Mädchen mit der riesigen Sonnenbrille, das ich durch den Hof zu den Mülltonnen gehen sah, war bestimmt eines der Agenturmodels, die sich jetzt oben in meiner Wohnung breitmachten. Und ich hockte hier unten und machte zwielichtige Geschäfte, anstatt mir wie anständige Schwangere von meinem Mann die Füße massieren zu lassen und mich durch alle Staffeln von »Friends« zu gucken. Ich drehte missmutig an einer Art Parkscheibe, die mir Frau Doktor Casper mitgegeben hatte und auf der Schwangerschaftswochen und Geburtstermin zu sehen waren. Schon so viel geschafft und doch noch so lange hin. Ich wusste nicht, ob ich wollte, dass die Zeit schneller oder langsamer verging, heute war der hundertfünfzigste Tag ohne Felix, und es würden auch noch ein paar mehr werden. Na toll. Alleinerziehend, selbstständig, vom Mann und von allen guten Geistern verlassen, gut, dass jetzt das Telefon klingelte.
»Sie? Was fällt Ihnen ein, sich schon wieder zu melden?«, blaffte ich − Adrian war der Einzige, den ich nicht duzte − und hob nur kurz die Hand, als Charlotte auf ihrer Seite wieder auftauchte, und formte kurz ein stummes »Geht’s dir besser?«.
»Ja. Geht wieder«, nickte sie lautmalend und drehte sich mit dem Rücken zur Glasscheibe, um ans Telefon zu gehen.
»Ich, tnff, also der Spaziergang vorher – können wir das nicht einmal in natura wiederholen? Wo leben Sie denn? Ich möchte Sie gerne einmal – tnff – sehen!«
»Kommt nicht infrage!«
»Ich – tnfff – würde mich durchaus erkenntlich zeigen!«
»Nein! Meine Hunde würden Sie in der Luft zerreißen!«
Das fehlte noch. Wie war Charlottes und meine oberste Regel: Keine persönlichen Kontakte, und wenn der Kunde noch so viel bettelt. Oder zahlt.
Charlotte drückte gerade eine Tablette durch das Stanniolpapier eines Zehnerstreifens Ibuprofen, ein Glas Wasser vor sich. Gut, dass ich wenigstens von PMS verschont blieb während der Schwangerschaft. So ziemlich das Einzige, was mir im Moment hormonell erspart bleibt, dachte ich, verabschiedete Adrian so unfreundlich, wie er das gerne hatte, und nahm sofort den nächsten Anruf an.
Charlotte ignorierte mein Winken erst einmal, ich musste heftig rudern, bis sie hochsah und mich fragend anschaute. Als Antwort nahm ich die Kopfhörer ab und drückte den Knopf für die Freisprecheinrichtung. Charlotte kam rechtzeitig in meine Bürohälfte, um zu hören, wie Willi von Galaxy Erotik seinen Satz vollendete: »… und wenn ich weiß, wo ihr Schlampen hockt und eure Schweinereien macht, dann
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