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Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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tatsächlich ein bisschen nach Trachtenverein aus.
    »Ist doch süß, oder? Sind wir eben wieder unserer Zeit voraus – das Neunzigerrevival geht bei uns eben früher zu Ende als anderswo. Und wenn eine Rezession ins Haus steht, wird der Geschmack allgemein wieder traditioneller.«
    »A Schmarrn, wenn ma selber Kinder hat, dann wird der Geschmack halt auch vernünftig, des hat jetzt gar nix mit der depperten Krise zum tun«, sagte Uschi mit einem Blick auf meinen Bauch und wedelte mit den nächsten Skizzen. »Und des, was is nachad des? Strickn mir jetzad auch Bälle?«
    »Nein, Uschi«, erklärte ich geduldig und nahm mir insgeheim vor, die Peter-Pan-Kollektion im Nachhinein mit knalligen Knöpfen und Bündchen zu versehen, war ja zu peinlich, was Uschi gerade gesagt hatte, »das ist kein Ball, das soll ein Christbaumkugelschoner aus Kaschmir werden. Ich dachte, wir probieren das mal als augenzwinkerndes Weihnachtsgeschenk für unsere Stammkunden, ist doch gut, wenn wir da schon was auf Lager haben. Oder?«
    »Ja mei, schon.«
    Uschi nickte zweifelnd und viel zu langsam, obwohl ich dringend darauf wartete, dass sie sich endlich zum Gehen wandte. Stattdessen drehte sie sich einmal um die eigene Achse und musterte die Glasscheibe und die wild fuchtelnde Charlotte dahinter sehr genau.
    »Und da, rufen da viel Leut an? Oder warum muss da die Frau Charlotte immer mit dabei sein?«
    »Du meinst – bei unserem Stricknotruf?«, nuschelte ich und fluchte innerlich, dass ich die Uschi nicht sofort nach dem Christbaumkugel-Briefing vor die Tür gesetzt hatte, denn natürlich klingelte es jetzt Sturm auf L 1 . »Öhm, ja, durchaus, es lohnt sich auf jeden Fall, da zwei Leitungen zu besetzen, Sie sehen ja, was hier los ist.«
    »Ah«, meinte die Uschi und sah mich erwartungsvoll an, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Und was wollen die Leut da so wissen? Gehen’S doch amal hin an den Apparat, vielleicht weiß ich ja auch was!«
    Was blieb mir übrig?
    »Hallo, die Wunderland-Hotline ›Heiße Nadel‹ hier, wie kann ich Ihnen helfen?«, meldete ich mich so sachlich wie möglich.
    »Hi, heiße Nadel. Ich habe auch einen Nickname, meiner ist ›Großes Pony‹«, sagte eine raue Männerstimme.
    »Interessant«, antwortete ich fröhlich und schob mich unauffällig zwischen Uschi und die Telefonanlage, weil sie doch tatsächlich Anstalten machte, auf den verführerisch roten Knopf mit dem Lautsprecher zu drücken, »ein großes Pony, das hatten wir noch nie, das ist nicht leicht zu stricken, was sagt denn die Maschenprobe?«
    »Also, meine Lieblingsmasche ist … Nylonstrümpfe! Zerrissene Nylonstrümpfe!«
    »Prima«, jubelte ich und tat so, als müsste ich dringend etwas unter dem Sofa suchen, um Uschi weiter vom Tisch wegzudrängen, »das kann man ganz leicht selber machen, einfach zwei rechts, zwei links, eins fallen lassen.«
    »Wie, zwei rechts, zwei links? Bist du so stark?«
    Ich glaube, ein echtes Pony war ein Gehirnwunder gegen diesen Kunden.
    »Ja, echt stark und patent – ich meine – Patentmuster! Das geht nur ungeheuer in die Breite!«
    »Das macht nichts«, grunzte Großes Pony, »ich habe nichts gegen dicke Frauen, Hauptsache, du bist komplett rasiert. Hast du denn ein Muschipiercing? Das find ich nämlich scheiße geil, son Stecker an der Pussi!«
    »Aber ja, hören Sie?«, sagte ich, und klopfte mit der Stricknadel, die ich unter dem Sofa hervorgefischt hatte, auf mein Mikrofon, um Großes Pony von der Existenz meines Intimpiercings zu überzeugen. »Aus Metall, die Stecker, ich meine, die Stricknadeln immer am besten aus Metall nehmen.«
    Jetzt wurde auch der drögste Telefonkunde misstrauisch.
    »Wieso Stricknadeln? Damit kannst du doch keinen Schritt mehr gehen?«
    Ich nickte nur strahlend, um Zeit zu gewinnen, und machte freundliche Winkewinkezeichen zu Uschi, die endlich darauf einging, ein »Wiederschaun« murmelte und mit der Zeichenmappe unterm Arm den Abgang machte.
    »Nixnix, angeschmiert«, sagte ich dann schnell und wischte mir den Schweiß von der Stirn, »aber ich bin wirklich wahnsinnig stark!«
    »Wie stark genau?«
    Großes Pony hatte doch noch angebissen.
    »Na ja«, sagte ich abwartend, bis ich Uschis graubraune Dauerwelle an unseren Fenstern vorübergehen sah. »Ich kann einen großen Mann ganz allein hochheben.«
    »Ach …«, kam es vom Großen Pony zurück, eher ein wenig enttäuscht. Ich legte nach.
    »Und natürlich kann ich auch … ein Pferd hochheben!«
    Keine Antwort.

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