Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
»Charlotte hat ein Engagement bekommen und konnte mir von einem Tag auf den anderen nicht mehr helfen. Ich werde die Hotline einfach allein weitermachen. Und den Laden kannst du weiterführen – vorausgesetzt, so etwas wie letzte Woche wiederholt sich nicht noch einmal.«
Und wie willst du Marie bezahlen, hä?, fragte mich eine innere Stimme. Jetzt lehn dich mal nicht zu weit aus dem Fenster!
»Danke, Heidi, das ist lieb, danke für dein Vertrauen!«, sagte Marie mit glitzernden Augen. »Aber was ist mit dir? Du allein den ganzen Tag am Telefon? Bist du sicher? Ein kleines Nest ist wärmer als ein großes – das stimmt schon, aber willst du nicht mal wieder aus diesem Kämmerchen heraus? Und mal wieder unter Leute?«
»Auf keinen Fall, die Strickhotline ist ein guter Nebenverdienst! Und die strickenden Menschen brauchen mich!«
Das fehlte noch, dass jetzt auch noch Marie mir gute Ratschläge gab. Nebenverdienst?, höhnte meine innere Stimme weiter. Das ist kein Nebenverdienst, das ist eine goldene Kuh, die du eigentlich gerade melken solltest, anstatt hier ein Schwätzchen abzuhalten!
»Okay, deine Entscheidung, klar«, ließ Marie kurz locker, aber nur um mich von oben bis unten zu mustern. »Aber hast du wirklich nur diese abgeschnittene Yogahose und diesen Schlabbersack da? Oder soll das ein T -Shirt sein?«
»Nein, aber das ist so bequem, sieht ja eh keiner!«
Marie hatte gut reden, mit ihrer Mädchenfigur und dem schwingenden Tellerrock sah sie aus wie zwanzig.
»Quatsch, ich sehe das, und du selbst auch«, widersprach sie. »Du bist eigentlich eine wunderschöne Schwangere, das kann nicht sein, dass du dich so verhüllst, wir sind ja hier nicht in Neukölln!«
Und dann verschwand sie und kam wieder mit einer großen glänzenden Papiertüte.
»Die ist doch von Marissa, ich meine, von Charlotte«, erkannte ich die rosa Aufschrift »Kind & Kegel« wieder.
»Genau«, stimmte Marie zu, »Umstandsklamotten, ich habe mir das mal angesehen. Die Sachen waren zu lang, aber Nastja hat alles gekürzt, und davon suchst du dir jetzt etwas aus, keine Widerrede! Und vorher gehst du duschen, du klebst ja wie eine Fliegenfalle!«
»Duschen«, meinte ich zweifelnd und schaute an mir herunter. Eine Dusche wäre durchaus erfrischender als die übervorsichtigen Sitzbäder, die ich einmal in der Woche nahm, aber …
»Du wirst schon nicht ausrutschen«, redete Marie mir zu, »ich komme mit, ganz egal, ob du willst oder nicht.«
»Na gut«, gab ich nach und merkte, dass ich ganz gerne tat, was Marie mir sagte. Tief in mir drin war ich auch nur eine Hochschwangere, die sich nach nichts mehr sehnte als nach einem Nest, um ungestört zu brüten, und einer Umgebung, in der sie sich um nichts, aber auch um gar nichts selbst kümmern musste.
»Ich muss nur noch kurz den Blumendienst anrufen und einen Strauß an diese Adresse liefern lassen!«
»Ach, Berlin-Wilmersdorf«, nahm mir Marie den Zettel aus der Hand, »das kann ich doch erledigen. Hat da jemand Geburtstag?«
»Nein, ich muss eine Ehe retten«, sagte ich, »lass einfach ›Danke für alles von Deinem Dich liebenden Ehemann‹ dazuschreiben.«
Wenn er schlau ist, spielt der Safarimann mit, dachte ich, und wenn er noch einmal anruft, dann sag ich ihm, er soll sich lieber mal darum kümmern, dass sein Sohn nach dem Hort nicht nur Schokopudding mit Frau Müller isst und seine Telefonate mithört. Und dann fiel mir noch etwas ein.
»Marie, kannst du auf der KaDeWe-Website bei Präsente und Geschenkkörbe etwas aussuchen und an die KaDeWe-Sicherheitsabteilung, an einen Herrn Schwittke, liefern lassen? Ich habe für meinen Vermieter mal so einen Fresskorb bestellt – Schlemmer-Männer-irgendwas hieß der, mit Käse, Cognac und Zigarren, ich glaube, das wäre genau das Richtige. Und dem Herrn Schwittke, dem habe ich einiges zu verdanken, ohne dass er das weiß …«
Was soll das denn jetzt werden, meldete sich meine innere Stimme wieder, bist du jetzt unter die Seelsorger gegangen? Meinst du, das Eheberatungstelefon der Caritas hat auch eine 0900 -Nummer? Nö! Du bist soeben dabei, auch den Safarimann als Stammkunden zu verlieren, weil du dich in sein Privatleben einmischen willst, und Patella-Mike hast du auch ziemlich unfreundlich abgewürgt. Was ist los, Hanssen? Gib Gas! Hast du nicht gestern ausgerechnet, dass du mindestens fünfundfünfzig Anrufer am Tag erledigen musst? Lass lieber neue Anzeigen schalten, als hundert Euro für einen Fresskorb
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