Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Volumen haben sie ja – schließlich bist du schwanger! Und Make-up brauchst du praktisch auch nicht, bei der tollen Haut, die du gerade hast!«
Das stimmte, die Pickel der ersten Schwangerschaftsmonate waren komplett verschwunden. Und wenn ich mir über die Wangen strich, fühlte sich das an wie ein Pfirsich, sogar die Fältchen um die Augen und die Falten zwischen Nase und Mund schienen von innen aufgepolstert. Und der rehbraune Bubikopf, der unter Josefs Händen entstand, sah gar nicht so schlecht aus. Ich lächelte meinem Spiegelbild erleichtert zu und erzählte weiter.
»So zu tun, als wäre ich ein Supermodel, und in Wirklichkeit dazusitzen wie der letzte Krapfen, das war Teil des Spiels. Das war ja das Schöne: Weil man sich nicht sieht, kann man sich auf das Gespräch konzentrieren. In diesem Geschäft lernt man, genau zuzuhören und an Nuancen in der Stimme zu erkennen, wie es jemandem geht. Das können die wenigsten Paare.«
Ich wurde nachdenklich.
»Felix und ich hatten das jedenfalls nicht drauf.«
»Na, dann kannst du ja in deiner nächsten Beziehung gleich mal ausprobieren, was du gelernt hast!«, legte mir Josef den Arm um die Schultern.
»Welche nächste Beziehung? Ich habe inzwischen das Beziehungskarma eines Heinrich VIII ., denn schließlich habe ich nicht nur meine, ich habe auch fremde Beziehungen kaputt gemacht«, jammerte ich. »Charlotte und Zockel nämlich!«
»Bei denen war doch sowieso der Wurm drin, das ist doch immer so bei diesen Showpaaren, das war nicht deine Schuld! Und Charlotte hat sowieso mit zweierlei Maß gemessen – was sie tat, nämlich fremde Männer am Telefon glücklich machen, durftest du plötzlich nicht tun, nur weil zufällig ihr Kerl dein Stammkunde war.«
Josef nickte mir im Spiegel tröstend zu.
»Und den meisten Kunden hast du sicher gezeigt, wie sie mit sich selbst zufriedener sein können, obwohl sie zu Hause oder in ihrem Leben einfach nicht das bekommen, was sie glücklich macht.«
»Wahrscheinlich, weil sie es einfach nicht schaffen, den Mund aufzumachen. Ich glaube, wenn man den meisten Mädchen ein paar Telefonsexlektionen gibt, bevor sie zum ersten Mal mit jemandem ins Bett gehen, dann würden sie sich wahrscheinlich für die besseren Männer entscheiden. Denn danach erkennt man den anderen nicht an der Optik, sondern an der Seele.«
»Große Worte, Heidi«, machte Josef sich über meinen philosophischen Anfall lustig, »so wie du redest, sollte jeder Politiker eine Telefonsexausbildung haben.«
»Ja, das Geheimnis ist, sich total auf jemanden einzulassen. Dann kann man ihn auch um den Finger wickeln, aber man wird ihn nicht ausnutzen. Ich hatte nur einen einzigen Kunden, der mir immer völlig unangenehm war – der hat nämlich nie ein einziges Wort geredet.«
»Wie – aber der musste dir doch auch sagen, was er wollte, oder?«, fragte Josef neugierig und wedelte mir mit einem Handtuch die Haarstoppeln von der Schulter.
»Ja«, erzähle ich, »am Anfang hat er mal ganz kurz gemurmelt: Ich will dein Hündchen sein. Das war alles. Ab da immer Schweigen. Und ich hatte nie eine Ahnung, was er hören wollte, weil er nie die leiseste Reaktion gezeigt hat. Ich habe ihm dann erzählt, dass ich mit ihm spazieren gehe, sein Kacka in einer Plastiktüte entsorge und mit ihm zum Hundefriseur gehe. Ich habe mir einfach den Pucki vorgestellt, den armen Hund von Krimi. Und nach einer Weile hat er dann meistens aufgelegt, ohne sich zu verabschieden.«
»So würde ich auch gern mal zweihundert Euro verdienen, ich weiß gar nicht, was du hast!«, zuckte Josef mit den Schultern und hob mein Kinn nach oben, damit ich frontal in den Spiegel blicken musste.
»Schau dich jetzt bitte mal an! Du siehst unglaublich sexy aus! Jetzt siehst du nicht mehr aus wie ein Kastanienmännchen, sondern wie eine appetitliche Avocado mit einer schicken Frisur! Ich habe dir übrigens aus Spanien Turrón mitgebracht, dieses Nougat, das du doch so gern magst – wollen wir nicht …«
»Erst der Sex, dann das Vergnügen«, lehnte ich das verführerische Angebot eines Kaffeekränzchens mit meinem besten schwulen Freund ab, »ich wollte eigentlich noch eine Runde arbeiten!«, und wies Richtung Sofa.
»Unsinn, man muss die Kuh auf die Weide führen, damit sie Milch gibt«, zog mich Josef in die andere Richtung. »Du gehst jetzt mit mir und zeigst mir in Ruhe deinen Laden. Ich will schließlich sehen, was so erhaltenswert ist, dass du unbedingt diese Kaschmirspinnerei übernehmen
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