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Erste Male

Erste Male

Titel: Erste Male Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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musste.
    Also schickte sie mich rasch in den Erholungsraum, den ich nur für mich allein hatte! Eine Dreiviertelstunde lang! Zwei Sekunden nachdem ich auf die Liege gefallen war, schlief ich schon.
    Als Nächstes spürte ich ein sanftes Kitzeln an der Wange. Jemand flüsterte, »Wach auf, Schlafmütze …«
    Dann knipste dieser Jemand die Lampe an und blendete mich. Während meine Augen sich an das Neonlicht gewöhnten, sah ich eine dunkle Gestalt … eine männliche Gestalt … eine männliche Gestalt in einem Dawson’s Creek -T-Shirt … Marcus Flutie.
    Marcus Flutie!
    Vom Tiefschlaf in den Alarmzustand in einer Millisekunde.
    »Was machst du denn hier?«
    »Hey, Cuz«, sagte er. »Du musst mir einen Gefallen tun.«
    Ich sollte ihm einen Gefallen tun. Ich sollte Marcus Flutie einen Gefallen tun. Wieso?
    »Einen Gefallen? Wieso das denn?«
    Er beugte sich vor, als ob er sich den Schuh binden wollte. Stattdessen krempelte er seine zwei Handbreit umgeschlagenen Jeans herunter und zog einen Joghurtbecher aus Plastik hervor. Vanille.
    »Verstaust du da immer dein Mittagessen?«, kicherte ich. Verdammt. Ich kaute an meiner Unterlippe. Noch mal verdammt.
    Er nahm den Deckel vom Joghurtbecher: Er war leer. Und dann richtete Marcus die bizarrste Bitte an mich, die ich je gehört hatte.
    »Du musst für mich da reinpinkeln.«
    »Was?!«
    Er wiederholte den Satz. »Du musst für mich da reinpinkeln.«
    Ich wiederholte mich ebenfalls. »Was?!«
    Er setzte sich neben mich, viel dichter als nötig.
    »Mein Bewährungshelfer ist plötzlich aufgetaucht und will einen überraschenden Urintest haben«, sagte er. »Ich weiß, du hältst mich für Ausschuss, wertlosen Abschaum, der es verdient hat, verknackt zu werden. Aber außer ein paar Joints und ein paar Es habe ich …«
    »Du willst, dass ich deinen Drogentest fälsche? Bist du wahnsinnig? Ich kenne dich nicht einmal!«
    »Ich kenne dich besser, als du glaubst.«
    Ich schnaubte. »Woher willst du mich kennen?«
    Als Antwort legte er mir die Hand aufs Knie.
    Ich drehte beinahe durch. Ich war überzeugt, wenn die Schulschwester jetzt reinkam und Marcus und mich nebeneinander auf der Liege sitzen sah, seine Hand auf meinem Knie, würden wir schon deshalb beide nach Hause geschickt oder von der Schule verwiesen werden, oder Schlimmeres.
    »Moment mal. Ist das mit dem Urintest keine Verletzung deiner Grundrechte?«
    »Als Minderjähriger und mehrfacher Gesetzesbrecher habe ich keine Rechte«, antwortete er amüsiert glucksend. »Du kannst ja die Bürgerrechtsunion anrufen.«
    Ich sah den Joghurtbecher an, dann die Wanduhr. Tick-tack. Tick-tack.
    »Payne kommt jeden Augenblick wieder rein. Wenn du es nicht tust, werde ich endgültig von der Schule geschmissen.«
    Konnte er seine Argumente nicht ohne Hand auf meinem Knie vortragen?
    »Du würdest mich vor einem Leben auf der Straße bewahren.«
    Sollte ich sie nicht besser abschütteln?
    »Du würdest mir das Leben retten. Dann schulde ich dir auch einen Gefallen, und ich breche meine Versprechen nie.«
    Würde man nicht merken, dass da ein Mädchen in den Becher gepinkelt hatte?
    »Ich kann nicht«, sagte ich und schaute zur Seite.
    Marcus stand auf und ging zur Tür. Bevor er hinausging,drehte er sich um und sagte einen Satz, der mich unglaublich ärgerte.
    »Ich wusste, du tust es nicht.«
    Ich kann gar nicht beschreiben, was für eine rasende Wut mich überkam.
    Ich hatte so die Schnauze voll davon, dass alle Welt mir erzählte, was ich tun würde und könnte und sollte und was nicht. Meine Eltern. Der Club der Ahnungslosen. Hy. Und jetzt auch noch Marcus. Ein Zorn, der schon seit Monaten, Jahren, mein ganzes Leben lang in mir brodelte, kochte über, und Marcus bekam alles ab.
    »Woher willst du wissen, was ich tue?«
    Ich riss ihm den Joghurtbecher aus der Hand und rannte in die Toilette, um hineinzupinkeln. Dann kam ich wieder raus und drückte ihm den warmen Becher in die Hand. Diese unerwartete Wendung hatte ihm die Sprache verschlagen, er stand bloß da und wusste nicht, was er tun sollte. Schließlich sagte er: »Ich werde dich nicht verpfeifen.«
    Dann ging er ohne weiteres Wort hinaus. Ich blieb zwanzig Minuten auf der Liege sitzen und hyperventilierte, bis es zur Stunde klingelte. Als ich ins Sprechzimmer der Schulschwester trat, war Marcus nicht mehr zu sehen.
    Den Rest des Tages lief ich wie durch Nebel und machte mir Gedanken, was wohl mit ihm – und mit mir – passieren würde. Wie lange man wohl auf die

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