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Erste Male

Erste Male

Titel: Erste Male Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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wieder in die Hosentasche. Was er mir auch sagen wollte, ich musste es allein und in Ruhe lesen.
    Jetzt kommt die ironische Wendung: Obwohl ich mir immer so einsam und alleingelassen vorkomme, hatte ich den ganzen Tag nicht eine Sekunde für mich. Jedes Mal, wenn ich mich davonstehlen wollte – zu meinem Spind, auf die Toilette, vor dem Sport in die Dusche –, musste mir irgendwer unbedingt ein Gespräch aufzwingen. Der gefaltete Brief brannte mir fast sechs Stunden lang ein Loch in die Tasche. Die Spannung wurde so schmerzhaft, dass ich mich nach der letzten Stunde – Sport – nicht mal umzog, sondern sofort nach Hause und rauf in mein Zimmer rannte.
    »Jessie, ich möchte mit dir reden«, sagte Mom, als ich die Treppe hochraste.
    »Sofort!«, rief ich und schloss hinter mir ab.
    Ich holte meine Jeans aus dem Rucksack, steckte die Hand in die hintere Tasche und zog – nur Fussel raus.
    »Jessie?«, rief Mom aus der Küche.
    Schnell schüttelte ich auch die anderen Taschen aus, obwohl ich genau wusste, ich hatte Marcus’ Botschaft nicht hineingesteckt. Dann ging ich den Rucksack durch und schüttete schließlich alles auf dem Boden aus.
    »Jessica!«, schrie meine Mutter.
    Jetzt geriet ich in Panik. Meine Ohren brannten, ich fing an zu schwitzen. Wo konnte der Zettel sein? In wessen Hände war er geraten? Ich kniete mich hin und hob jeden einzelnen Gegenstand vom Boden auf: Jeans; gestreiftes Tanktop mit V-Ausschnitt; BH; Chucks; Der Fänger im Roggen ; zwei College-Blöcke; Chemiebuch; Sitzungsfahrplan der Schülervertretung; drei Schokoriegel-Verpackungen; Taschenrechner; Textmarker; Deoroller; Carmex-Lippenbalsam; Bürste; verschiedene Stifte.
    Kein Origami-Mund von Marcus.
    »Jessica Lynn Darling! Komm jetzt sofort hier runter!«
    Ich ging runter und hielt mir den Bauch – diesmal war es echt. Eine dicke Sorgenkugel hüpfte in mir auf und ab, aber ich log Mom vor, es sei meine Regel. Das erleichterte sie so, dass sie mich sofort ziehen ließ, als ich auf mein Zimmer wollte. Und hier habe ich in den letzten zehn Stunden die eben aufgezählten Gegenstände ungefähr eine Milliarde Mal hin und her gedreht.
    Wie kann ich bloß das Wichtigste verlieren, was mir je irgendwer gegeben hat? Die einzig logische Erklärung ist: Es gab nie einen Origami-Mund von Marcus. Ich habe mir das alles bloß ausgedacht, um mich selbst in den Wahnsinn zu treiben. Ich habe mir überhaupt die ganze Sache ausgedacht. Ich habe gar nicht in den Becher gepinkelt. Auf gar keinen Fall. Ich doch nicht. Warum sollte ich so was Verrücktes tun?
    Wenn ich mir das nur lange genug einrede, glaube ich es vielleicht sogar.
    SECHSTER
    Heute bin ich mit einem festen Vorhaben zur Schule gegangen: die Botschaft des Origami-Mundes zu ergründen. Mir war schon klar, dass ich ihn nicht wiederfinden würde, also gab es nur eine Möglichkeit, so erschreckend wie erregend:
    Ich würde Marcus fragen, was drinstand.
    Das war natürlich aus den offensichtlichen Gründen eine Riesensache (ich bin ich, er ist Marcus Flutie … ich könnte damit ungewollt eine Spur zu meiner Straftat legen), aber es gab noch einen weiteren. Es wäre nämlich eine dramatische Veränderung unseres bisherigen Kommunikationsmusters. Bisher waren alle Kontakte von ihm ausgegangen. Heute würde ich entscheiden, dass es Zeit für ein Gespräch war. Ich würde aus der Position der Stärkeren handeln.
    Das heißt, wenn ich ihm nicht gleich vor Aufregung auf die Schuhe kotzte.
    Ich lungerte also vor der ersten Stunde an der Tür herum, um ihn abzufangen. Die Fünf-Minuten-Klingel, die Letzter-Aufruf-Klingel, die Stundenklingel ertönten, und ich wartete umsonst. Ich setzte mich und redete mir ein, es sei janichts Neues, wenn er ein oder zwei Minuten zu spät hereinschlurfte. Aber als wir beim Fahneneid waren, hatte ich jede Hoffnung aufgegeben.
    Marcus kam nicht zur ersten Stunde. Vielleicht hätte ich das schon gewusst, wenn ich den Origami-Mund nicht verloren hätte.
    Natürlich wusste Sara es als Erste.
    »Ohmeingott! Habt ihr schon von Krispy Kreme gehört? Er hat letzte Woche irgendein Mädel dazu gebracht, seinen Drogentest zu fälschen!«
    Beinahe hätte ich meinen Cap’n Crunch durch die Gegend gespuckt.
    Die Ärzte können natürlich tatsächlich feststellen, ob eine Urinprobe von einem Mädchen oder einem Jungen ist – reine Hormonsache. Hat sie bloß ein paar Tage gekostet. Marcus muss ins Büro bestellt worden sein, gleich nachdem er mir den Origami-Mund zugesteckt

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