Erste Male
riskieren, also grummelte ich, ich hätte verstanden, und ging rauf in mein Zimmer.
Wie ich den restlichen Tag verbrachte, ist einfach zu deprimierend zum Aufschreiben. Vielleicht ein andermal. Wenn ich unglaublich glücklich bin. Nachdem Paul Parlipiano mir ewige Liebe geschworen hat. Oder Hope nach Pineville zurückgezogen ist. Oder ich beim Standardtest fürs Collegedie volle Punktzahl erreicht habe und deshalb auf jede Uni des Landes gehen kann, vor allem auf die, die sehr weit weg liegen. Wenn meine Freude so überschäumend ist, dass ich kaum glauben kann, das jämmerlich heulende Elend auf dem Spielplatz sei ich gewesen. An einem Tag, wenn es nicht mehr schmerzt, über den heutigen Tag zu schreiben.
Bis dahin möchte ich ihn lieber vergessen.
SIEBZEHNTER
Den Rest des Wochenendes und den ganzen Montag habe ich im Bett verbracht. Ich erzählte meinen Eltern, ich hätte ein bisschen Grippe, schon seit einer Weile, und sie entschuldigten mich gern von der Schule, weil sie mit der Krankheit auch eine Erklärung für mein schlechtes Rennen und meine noch schlechtere Laune bekamen.
Der springende Punkt: Ich hatte seit der Prom mit niemandem ein Wort gesprochen.
Ich stand also heute Morgen vor der ersten Stunde an meinem Spind, als Scotty auf mich zukam. Das war nicht verwunderlich, weil er seit meiner Einladung eigentlich jeden Morgen herübergekommen ist, um Hallo zu sagen. Das Seltsame war sein Gesichtsausdruck.
»Du siehst ja fertig aus«, sagte ich. »Sag bloß, du hast dich immer noch nicht von der Prom erholt?«
»Na ja. Irgendwie noch nicht.«
Drei Baseballer kamen vorbei und knufften ihn heftig.
»Du Hengst!«
»Homerun!«
»Hoffentlich machst du heute im Spiel auch so leicht Punkte!«
Scotty lachte halbherzig, boxte ein bisschen zurück, und weg waren sie.
»Was sollte das denn?«, fragte ich.
»Wieso hast du mich nicht zurückgerufen? Ich wollte dir erzählen …«
»Ich habe Telefonverbot. Was erzählen?«
Scotty winkte mich näher ran, um mitten im vollen Schulkorridor so was wie Privatsphäre herzustellen. Er sah ängstlich aus. Dann sprach er die Worte, die mich beinahe aus den Schuhen hauten.
»Kelsey und ich hatten nach der Prom Sex.«
»WAS?!«
»Wir haben’s gemacht.«
Ich konnte es nicht glauben. Ich konnte es wahrhaftig nicht glauben. Ich wusste zwar, dass wir schon drüber gewitzelt hatten, aber ich hätte nicht gedacht, dass er es wirklich tun würde. Scotty . Mein Scotty.
»Wir haben’s gemacht«, wiederholte er. Er wollte gar nicht prahlen, sondern bloß noch mal die Wahrheit bestätigen, vielleicht genauso für sich selbst wie für mich. Ich glaube, er konnte es selbst nicht fassen – dabei hatte er schon zwei Tage Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Keine Jungfrau mehr.
»Aber du gehst doch nicht mal mit ihr!«
Ich krallte mich an meinem Geschichtsbuch fest.
»Weiß ich auch«, sagte er und legte den Finger an den Mund. »Aber ich glaube, jetzt schon.«
»Du glaubst ?«
»Ich bin mir ziemlich sicher.«
»Also, geht ihr nun miteinander oder nicht?«
Er schwieg einen Augenblick und starrte auf seine Nikes. Dann holte er Luft und sagte: »Wir gehen miteinander.«
Ein weiterer Baseballer klopfte Scotty auf die Schultern. Scotty ignorierte ihn.
»Und deshalb kann ich nicht mit dir zur Hochzeit gehen.«
Ich konnte nicht mehr klar denken, so vieles stürzte auf mich ein – ich fühlte mich gedemütigt, weil ich so etwas auf dem Flur vor der ersten Stunde erfahren musste; hintergangen, weil ich immer gedacht hatte, Scotty würde keine außer mir wollen; angeekelt, weil Scotty sich genauso benommen hatte wie die anderen notgeilen Sportidioten; und vor allem war ich wütend auf Mom und Bethany, weil sie womöglich Recht damit hatten, dass es mir noch leidtun würde, mir Scotty nicht geschnappt zu haben, als ich die Chance hatte.
Ehe ich also auf diese Hammernachricht reagieren konnte, kam Kelsey schon angerannt, legte Scotty die Hände über die Augen und flötete »Rate mal!«. Dann drehte sie ihn um, gab ihm einen saftig schmatzenden Kuss auf den Mund und zerrte ihn am Arm hinter sich her.
Es ging rasend schnell. Nach nicht mal fünf Sekunden stand ich wieder allein da.
ACHTZEHNTER
Der menschliche Überlebenswille ist höchst erstaunlich. Wenn es um Leben oder Tod geht, erwachsen ganz normalen Leuten übermenschliche Kräfte. Wie der Hausfrau, die den umgestürzten Bus von ihrem Baby wuchtet.
Zu meinem Glück erwachte mein Überlebensinstinkt gerade
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