Ertränkt alle Hunde
Bild zu setzen, der wir auf die Spur gekommen sind. Ich fände es gut, wenn wir drei uns zusammensetzen würden.«
»Ich bin auf dem Weg in die Stadt. Ich kann in, oh, fünfundvierzig Minuten im >Guardian< sein.«
»Am besten, wir treffen uns nicht hier. Und so früh geht’s auch nicht. Ich schlage vor, wir essen heute mittag einen Happen zusammen. Dermot ist heute morgen mit seinen Vorlesungen beschäftigt. Er gehört zum Lehrkörper der Trinity, wissen Sie.«
»Die Welt ist klein. Zu klein.«
»Das klingt irgendwie sarkastisch.«
»Ich habe meine Gründe.«
»Und auch Informanten? Vergessen Sie nicht unser Geschäft, Detective Hockaday.«
»Ich verhalte mich der hilfsbereiten Presse gegenüber immer anständig. Fragen Sie Slattery.«
»Hab ich schon. Er sagte mir, Sie sind ein halb ehrlicher Cop in einer zu drei Vierteln korrupten Stadt.«
»Macht mir nichts, wenn Sie ihn zitieren.«
»Aye, er hat gesagt, Sie würden sich geschmeichelt fühlen.«
»Also dann - heute zum Mittagessen, Ollie. Wie wär’s mit dem Ould Plaid Shawl?«
»Sie kennen das Lokal -?«
»Mein Zug kommt. Wir sehen uns heute mittag.«
Da war ich also unterwegs zu einem Morgen in Dublin, der unerwartet frei geworden war. Die Zeit im Zug nutzte ich, an meinen Fallnotizen zu arbeiten, indem ich die Informationen aus Gunstons Artikel notierte und frühere Einträge nach etwas durchsah, was ich vielleicht vor dem Mittagessen ermitteln konnte.
Mehrere Fragezeichen neben dem hingekritzelten Namen Joe B. sprangen mir von einer der drei dem Mord an Francie Boylan gewidmeten Seiten ins Auge, mit dem meine Ankunft in Irland begonnen hatte. Ich beschloß, die trauernde Familie aufzusuchen, namentlich den Vater, den Francie erwähnt hatte.
Das Telefonbuch im Dubliner Hauptbahnhof führte Joe Boylan unter einer Adresse in der Goff Street. Ich schrieb mir eine dreistellige Hausnummer auf und wählte dann in einer Telefonzelle die dazugehörige fünfstellige Nummer. Als sich ein Mann meldete, legte ich wieder auf. Ich habe in meinem Beruf die Erfahrung gemacht, daß es sich lohnt, unangemeldet bei jemandem hereinzuschneien.
Auf der O’Connell Street rief ich mir ein Taxi.
»Was zum Teufel!« beklagte sich der Taxifahrer, als ich ihm
Joe Boylans Adresse nannte. Er drehte sich auf dem Fahrersitz um, und nachdem er seine Fuhre drei oder vier Sekunden taxiert hatte, fragte er: »Was hat ein Yank wie Sie in der miesen alten Goff Street zu suchen?«
»Familie«, antwortete ich und sagte das erste, was mir in den Sinn kam.
»Die armen Verwandten mal wieder im Anmarsch?«
»So was in der Richtung.«
»Aye, die alte Geschichte.« Der Taxifahrer fädelte sich in den Verkehr ein. Ich erwischte ihn dabei, wie er mir während der Fahrt von der Dubliner Innenstadt in den Norden immer wieder im Rückspiegel verstohlene Blicke zuwarf. »Andernfalls, mein Freund, sind Sie scharf drauf, bei Ihrem Ausflug in die Goff Street ein paar Zähne zu verlieren. Waren Sie noch nie in der Gegend?«
»Nein.«
»Von wo genau in Amerika kommen Sie?«
»Aus New York.«
»Oh, na dann, wo New York ja eine Stadt ist, in der dein bester Freund auf der Welt derjenige ist, der dir keins überzieht, schätze ich mal, daß Sie in unserer Goff Street auch klarkommen werden.«
»Schätze ich, ja.«
Joe Boylans Haus war schmal, altersschwach und schmutzig und stand eingezwängt in eine lange Reihe identischer, häßlicher Häuser. Ritzen in dem Fenster über der Straße waren mit Alufolie und vergilbtem Zeitungspapier abgedichtet. Ein grauer, ausgemergelter Hund wühlte in einer offenen Mülltonne vor der Haustür. Am anderen Ende der Goff Street, wo der Horizont in schwefligen Fabrikdunst gehüllt war, hoben Jungs Steine aus den Rinnsteinen auf und bewarfen sich damit.
Taxis waren eine Seltenheit hier oben. »Spüren Sie nicht, wie die Leutchen hinter den Jalousien und Vorhängen stehen und Sie beobachten?« fragte mein Fahrer.
Ich sagte, ja, das spüre ich. Und ich stellte mir vor, was sich hinter diesen verschlossenen Fenstern befand, die ganze Goff Street rauf und runter: kreischende Kinder, Frauen, so erschöpft, daß sie aussahen, als habe der Tod bereits seine Hand auf ihre Schultern gelegt, Männer mit wenig mehr zu tun, als ihren stillen Groll und ohnmächtigen Haß zu pflegen.
»Wie wär’s, wenn Sie hier auf mich warten?« fragte ich den Fahrer.
»Wär nicht dumm«, sagte er, schaltete den Motor aus und steckte sich eine Zigarette an. »Im Umkreis von zehn
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