Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
Vom Netzwerk:
besorgtem Gesicht zu mir um und sagte: »Ich sag’s ja wirklich ungern, aber ich könnte schwören, daß wir von dem braunen Wagen hinter uns verfolgt werden. Den hab ich vorhin schon gesehen. Er hat an der Ecke der Goff gewartet, bis wir losgefahren sind.«
    »Vergessen Sie die Ampeln«, sagte ich.

34

    Nach einem langen, heißen Bad wickelte sich Ruby in einen Bademantel und stellte sich an das Fenster mit Blick auf die Ladbroke Street. Der morgendliche Tau, weiß wie Eis, lag immer noch auf den Grashalmen im Garten. Mit Knospen schwer beladene Zweige bebten sanft in dem Wind, der vom Hafenviertel von Dún Laoghaire den Hügel hinauffegte.
    Entsprechend wählte sie ihre Garderobe: einen cremefarbenen Baumwollpullover, eine bis zur Taille reichende olivgrüne Lederjacke eine hellbraune Cordhose und Wanderschuhe. Außerdem entschied sie sich noch für einen grün-gelben Seidenschal, den sie sich locker um den Hals band.
    Dann räumte sie Kleiderschrank und Kommodenschubladen aus und trug alles zum Bett. Sie faltete sämtliche Kleidungsstücke neu - ihre Sachen und auch die von Hock - und ordnete sie in sorgfältigen Stapeln.
    Das Packen lag normalerweise in Rubys Verantwortung. Sie hatte das als Preis dafür akzeptiert, mit einer Reiseschlampe wie Neil Hockaday zusammenzuleben. Hock war einer jener Männer, die absolut zufrieden waren, auf die letzte Minute noch ein paar alte Sachen in eine Plastiktüte von D’Agostino zu schmeißen. Ruby hingegen nahm Reisegepäck sehr ernst. Die Socken wurden in die Ecken des Koffers gestopft, zerbrechliche Gegenstände wurden in Papier oder Plastikfolie verpackt und zwischen kleinen, weichen Dingen gepolstert. Alles gebügelt und ordentlich gefaltet, alles ordentlich gestapelt.
    Bei Gott, sie und die Koffer würden an diesem Nachmittag für die Abreise nach Carlow bereit sein. Rubys Kleider, und Hocks genauso, würden bei der Ankunft sehr, sehr ordentlich aussehen.
    Bevor sie nach unten ging, nahm sich Ruby einige Minuten, um ihre Gedanken bezüglich der Sache mit Moira zu ordnen, und dies tat sie genauso sorgfältig, wie sie die Koffer und ihr heutiges Ensemble geplant hatte. Was mußte sie noch von Moira erfahren? Wie könnte sie es am besten anstellen? Wieviel konnte sie angesichts der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit ihr zu entlocken erwarten?
    Ruby entschied sich, die einzige wesentliche Frage zu verfolgen: die Bekanntschaft einer weltfremden, etwas wunderlichen Köchin mit Hocks aus vornehmem Hause stammender Mutter Mairead Fitzgerald. Was hatte Moira noch gleich über sie gesagt? »Eine echte Schönheit ist sie gewesen. Eine Schönheit und ein Rebell und auch der Grund , warum ich mir die harte Nuß über den einäugigen Mann ausgedacht habe. « Wenn es Ruby gelang, dieser Sache auf den Grund zu gehen, konnte sie mit Fug und Recht behaupten, an diesem Morgen gute Arbeit geleistet zu haben.
    Sie legte etwas kastanienbraunen Lippenstift auf und zog einen dezenten Lidstrich. Sie warf einen letzten, prüfenden
    Blick in den Spiegel, zog den Kragen ihres Pullovers gerade, zupfte an ihrer Frisur, strich die Vorderseite der Hose glatt. Dann verließ sie das rote Zimmer und ging die Treppe hinunter.
    Am Fußende der Treppe durchquerte Snoody gerade die Diele auf dem Weg in das große Wohnzimmer. Er drehte sich um und schaute zu Ruby auf, wünschte ihr aber keinen guten Morgen. Ruby ebenfalls nicht.
    Das Radio in Moiras Küche war auf denselben irren Mississippi-Prediger eingestellt, den Ruby bereits am Tag zuvor gehört hatte. Was eine nicht besonders angenehme Erinnerung an ihre Kindheit zu Hause in New Orleans heraufbeschwor: Ihre Mutter Violet schleppte sie mit zum Crescent City Miracle Tabernacle, und der Reverend Zebedeh Flowers jagte allen eine irrsinnige Angst ein mit seinem Gekreische und Gezappel, und seine großen, stechenden Glotzaugen waren genau auf Ruby Flagg gerichtet, als er die ewigen Höllenqualen der Verdammten beschrieb, womit er sogar kleine Mädchen meinte, die es törichterweise hinauszögerten, sich im Baptisterium reinigen zu lassen.
    »Moira«, rief Ruby. Aber es kam keine Antwort.
    Der Prediger beendete seinen Radiosermon mit einem Gebet aus den Psalmen: »Läutere mich, o Herr, von verborgenen Fehlern!«
    Wieder rief Ruby in die stille Küche: »Moira... Moira?« Und wieder erhielt sie keine Antwort.
    Anschwellende Orgelmusik beendete die Sendezeit des Predigers. Dann verlas jemand die Todesanzeigen des Tages.
    »Moira?«
    Keine Reaktion.
    Ruby

Weitere Kostenlose Bücher