Ertränkt alle Hunde
ging durch die Küche, vorbei an dem Tisch, an dem sie gestern mit Moira beim Tee gesessen hatte. Sie öffnete die Tür zum Garten hinter dem Haus, trat an die frische Luft hinaus und sah nichts außer einer Katze, die Milch aus einer Schale trank, die ihr auf die Terrasse hinausgestellt worden war. Ruby kehrte ins Haus zurück.
Da war noch eine weitere Tür, die wahrscheinlich in den Kel-1er führte. Ruby öffnete sie. Hinter den ersten paar Stufen einer steilen Holztreppe lag nichts als tiefe Schwärze. Es roch intensiv nach Äpfeln und Kohlen.
Ruby tastete auf der Wand nach einem Lichtschalter. Sie fand ihn und drückte. Weiter unten, dort wo die Treppe im rechten Winkel nach rechts abbog, flammte eine nackte Glühbirne auf.
»Moira —?«
Keine Antwort.
Unsicher trat Ruby aus der Tür zurück. Sie drehte sich um und schaute hinter sich. Auf dem Tisch stand eine halbvolle Tasse Tee, daneben ein Schneidebrett mit Kuchenteig und einem Messer. Sie ging zum Tisch und nahm das Messer, dann kehrte sie zur Kellertür zurück.
Noch einmal. »Moira -?«
Nicht einmal das Echo ihrer eigenen Stimme drang aus der abgestandenen, staubigen Luft zu ihr. Vorsichtig ging Ruby die Treppe hinunter, hielt dabei das teigverschmierte Bäckermesser fest umklammert über dem Kopf.
Als sie die Biegung der Treppe erreichte, begegnete sie der Köchin. In stummem Entsetzen war Rubys erster Gedanke die Frage, ob die arme Moira Catherine Bernadette Boylan ein braves Mädchen gewesen war, gereinigt im Baptisterium.
Moiras gewaltige Glocke von einem Körper pendelte sanft an einem zweimal um ihren Hals gelegten und an der niedrigen Decke zwischen zwei Absätzen der Kellertreppe befestigten Seil. Ein Arm baumelte, der andere rutschte langsam von dem Seil um ihren Hals. Speichelbläschen säumten Moiras blaue Lippen. Ein Fuß zuckte, nur wenige Zentimeter über der lebensrettenden Stufe. Die Augen waren blutunterlaufen und traten ihr aus dem Kopf, genau wie Zebedeh Flowers Glotzaugen.
Aus der Dunkelheit des Kellers unten kam ein trippelndes Geräusch. Eine Ratte, vermutete - hoffte - Ruby. Sie hob das Messer.
»Miss Flagg, sind Sie da —?«
Snoody rief ihren Namen.
Ruby kämpfte gegen die Zeit und aufkeimende Panik und die vergleichsweise lächerliche Angst vor einer Ratte. Sie eilte zu Moiras schwingendem Körper, legte das Messer an das Seil und sägte vor und zurück, vor und zurück. Moira fiel, ihr lebloser Körper brach vor der Wand zusammen. Dann glitt sie langsam auf ihrem toten Rücken, mit dem Kopf voran, unter lautem Geklapper die Treppe hinunter in den Duft von Äpfeln und Kohle.
»Miss Flagg -!«
Jetzt kam Snoody von der Küche heruntergetrampelt. Ruby drehte sich um und wartete, hielt das Messer immer noch erhoben.
»Nein!« brüllte sie die Treppe hinauf. »Nein!«
Snoody blieb wie angewurzelt stehen. Ruby hörte ihn warten, wobei seine Nase nervös pfiff.
»Miss Flagg - was in aller Welt geht hier vor?«
»Das sagen Sie mir besser, Snoody.« Sie versuchte, den Schrecken aus ihrer Stimme zu halten. Sie schob das Messer unter ihre Jacke und schaute um die Ecke des Treppenabsatzes. Dort stand Snoody vor ihr, auf halbem Weg auf der ersten Treppe in den Keller erstarrt, die Hände leer. Sie wiederholte: »Erklären Sie es mir!«
»Miss Flagg, ich verstehe nicht...«
»Kommen Sie mir nicht zu nahe!«
»Keine Angst, das werde ich schon nicht«, erwiderte Snoody und schob sich langsam wieder die Treppe hinauf zur Küche, wobei er die Hände auf den Treppenwänden hielt.
»Was wollen Sie von mir?«
»Ich wollte Ihnen nur sagen, Madam, daß Polizisten im Haus sind.«
»Polizei -?«
»Sie möchten mit Ihnen und dem jungen Mr. Hockaday sprechen. Wo ist Mr. Hockaday übrigens? Ich kann ihn nicht finden.«
»Mit uns -?«
»Sie warten. In der Diele, Madam. Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
Polizei ?
Ein Gefühl der Erleichterung spülte über Ruby hinweg. Dann schüttelte sie den Kopf. Nein, dachte sie, irgend etwas stimmt da nicht.
»Soll ich ihnen sagen, daß Sie sofort kommen?« fragte Snoody.
Natürlich. Was sonst? »Ja... sagen Sie ihnen das«, sagte Ruby.
Snoody verschwand. Ruby hörte ihn durch die Küche gehen. Und wieder hörte sie den Lärm der Ratte weiter unten. Moira gab keinen Laut von sich.
Langsam schlich Ruby die Treppe hinauf. Sie legte das Messer zurück auf den Tisch, ließ dann in der Spüle kaltes Wasser laufen, wusch Hände und Gesicht. Sie trat hinter der Haupttreppe des Hauses auf die
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