Erwachen
an. „Carys… Ceridwen ist bereits seit vier Tagen fort, sie wird sicherlich bald zurücksein.“
Vier Tage? Sie war doch gerade erst durch die Tür geschlüpft!
Nachdenklich betrachtete ich Gwydion Kendrick. „Gwyn?“
Seine Augen ruhten liebevoll auf mir. „Ja?“
„Seit wann sitze ich hier?“ fragte ich ängstlich.
Nun trat Besorgnis in seine Augen. „Seit drei Wochen, Schatz.“
„Ich habe das Zeitgefühl verloren.“ Leider hatte ich nicht jegliches Gefühl verloren.
„Was ist passiert, Carys? Du hast kaum gesprochen, seitdem du mit Ceridwen draußen warst.“
„Ich habe im Traum gesehen, wie Emrys getötet wurde.“ Ich schluckte und versuchte, den bitteren Geschmack loszuwerden.
„Das hat dir alles zurückgebracht…“
Wir hörten Schritte und plötzlich stand Nathaniel vor uns. Er blickte Gwydion an. „Darf ich mit Carys Olwyn allein sprechen? Bitte?“
Dieser erhob sich. „Wenn Carys es möchte?“
Ich sah von Gwydion zu Nathaniel und zuckte die Achseln. „Meinetwegen. Du kannst mich in die Küche begleiten, ich hab Hunger.“
Ich erhob mich und stand auf wackeligen Beinen. Als ich leicht taumelte, eilte Nathaniel an meine Seite und wollte mich stützen, doch ich machte mich wieder los. „Bitte, Nate, ich möchte nicht angefasst werden. Von niemandem.“
Nathaniels Blick war voller Schmerz, als ich ihn zurückwies, doch er begleitete mich zur Küche, ohne mich noch einmal zu berühren. „Carys, was ist bloß los mit dir?“ fragte er besorgt. „Pat macht sich auch große Sorgen um dich!“ Er streckte die Hand aus und berührte sanft meine Wange, dann zuckte er zusammen und verzog überrascht das Gesicht. „Carys!“ keuchte er auf.
„Ich bin unantastbar“, wisperte ich. Ich war nicht erstaunt darüber, aber ich fragte mich, wer es wohl ertragen konnte, von mir berührt zu werden, wenn ich alle blockte.
„Du bist wie Pat“, staunte Nathaniel. „Aber warum blockst du mich ab? Wir mögen uns doch…“
Seine Stimme schmeichelte mir, und mir wurde schlagartig klar, dass es keine Lisa Woodrow mehr gab, die zwischen uns stand.
Es war Emrys, der immer zwischen allen und mir stehen würde – bis an das Ende meines unseligen Lebens. „Ich blocke jeden ab“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Auch Gwydion?“ Nathaniel sah mich fragend an.
„Er ist mein Bruder, Nate, natürlich könnte ich ihn blocken. Aber er ist ebenso unantastbar wie ich. Und ich liebe ihn.“
„Ich wünschte, du könntest mich lieben, Carys.“ Er klang traurig.
„Ich kann niemanden lieben, so wie du es meinst.“
„Wieso sagst du das?“ Er runzelte die Stirn.
„Mein Herz gehört Rosewood Hall“, hörte ich mich sagen – und Emrys, fügte ich in Gedanken hinzu.
∞∞∞
Ceridwen war am sechsten Tag zurück.
Sie wirkte verändert, fast aufgeregt. Bei unerwarteten Geräuschen zuckte sie zusammen und sah sich zu allen Seiten um, als warte sie auf jemanden. Auch sonst wirkte sie nun sehr fahrig, und das war so gar nicht ihre Art.
Nach zwei Tagen, in denen sie mir erfolgreich aus dem Weg gegangen war, war sie fast die Alte.
„Sagst du mir jetzt, wo du gewesen bist und was du gemacht hast?“ fragte ich sie zum gefühlt tausendsten Mal.
Sie kicherte. „Ich war auf dem Weg zu deiner Nan, weil ich hoffte, wir könnten gemeinsam etwas brauen, das dir diese unsagbaren Emrys-Schmerzen wieder nimmt. Also, als ich fast da war, begegnete mir ein äußerst schöner Mann, Carys! Er heißt Dougal Norrington und war auf dem Weg zu uns nach Rosewood Hall.“ Ihre Augen strahlten so hell, dass ich fast geblendet wurde.
„Du willst mich doch veralbern, Ced!“ schnaubte ich und kicherte.
Sie nahm meine Hände und stimmte in das Kichern mit ein. „Nein, ganz und gar nicht.“
„Wo ist er denn?“ Ich zog grinsend eine Augenbraue hoch.
„Er muss erst seinen Cousin abholen, dann kommen sie hierher.“
Eindringlich sah ich sie an. „Sag die Wahrheit!“
Sie hielt meinem Blick stand. „Dougal sagte, sein Cousin sei lange Zeit krank gewesen, hätte aber das Schlimmste überstanden.“
„Dann ist der geheimnisvolle Cousin von deinem imaginären Schönling Douglas Morrison also keine Kreatur. Was will er hier?“
„Er heißt Dougal Norrington, und sein Cousin ist ein magisches Wesen! Es war ein Nervenfieber – eines, das du bereits schon zweimal hattest. Und Dougal ist keineswegs aus meiner Vorstellungskraft entsprungen, sondern
Weitere Kostenlose Bücher