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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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Arsch kneifen, aber da sie dies bereits mal taten, sollte es mir wohl gelingen.
    Ich holte tief Luft und schoss mit halsbrecherischer Geschwindigkeit vorwärts. Ich hatte vor, mich auf die Schatulle zu werfen, um mich zuerst um dieses Detail meiner Mission zu kümmern. Was am Anfang auch gut lief. Dann allerdings verwandelte sich alles in einen Albtraum. Anschleichen wäre vielleicht doch die bessere Methode gewesen wäre. Der erste Gedanke ist eben doch immer der beste.
    Als ich schon zum Sprung angesetzt hatte, wirbelte der Rufer herum. Breite Flügel durchbrachen das dünne Material seines Hemds, entfalteten sich und trafen mich mit voller Wucht. Die Wirkung war eine Lektion in Physik - zwei sich bewegende Objekte treffen mit unterschiedlichem Schwung aufeinander. Ihr dürft drei-, nein einmal raten, welches Objekt den Schlag auffing und durch die Gegend segelte.
    Ich landete an der hinteren Wand in einem Bücherregal, das zwar wankte und schwankte, aber nicht umkippte und mich unter sich begrub. Drohend kam der Dämon auf mich zu. Er lächelte wie der Chef einer Werbeagentur, allerdings mit Fangzähnen. Auch seine Finger sahen gar nicht mehr wie die eines Menschen aus, sie zogen sich irgendwie in die Länge und wurden zu schmalen, knochigen Gebilden mit scharfen Klauen, die alle auf mich zeigten. »Du!«
    Das Wort klang wie eine Anschuldigung, und ich musste gegen meine instinktive Reaktion, zurückzuweichen und alles abzustreiten, ankämpfen. Dann aber legte ich los. Die Messer schwirrten nur so durch die Luft, und mir fielen die Worte wieder ein, die Zane gesagt hatte, als er mir das erste Mal mein Messer in die Hand gelegt hatte: Tu, wozu du geschaffen bist, dann kannst du nicht versagen.
    Anscheinend nicht unbedingt ein Motto fürs Leben. Ein Flügelschlag, und das rechte Messer flog durchs Zimmer. Umso fester umklammerte ich nun das linke. Da schlug der Dämon wieder zu, schlitzte meinen Ninja Anzug in lauter Streifen und hinterließ auf meinem Bauch dünne Blutspuren, ehe er sich geschmeidig rückwärts bewegte und mich böse ansah. »Dann ist es also wahr. Die Prophezeiung.« Er blinzelte, die Lider schlössen sich über
    Augen von der Farbe schwarzen Marmors. »Und auf welcher Seite stehst du?«
    Ich stieß den linken Arm nach vorn, die Spitze der Klinge zeigte genau auf den Dämon. »Versuch gar nicht erst, irgendwelche Spielchen zu treiben! Ich stehe auf der Seite derer, die deinen Tod wollen.«
    Nur kurz zogen sich seine fremdartigen Augen zusammen, dann griff er an, so schnell, dass ich keinen Gedanken fassen, geschweige denn reagieren konnte. Er breitete die Flügel aus, sodass ich nur noch sein Gesicht, den Rumpf und die dünne graue Membran über seinen spindeldürren Knochen sehen konnte, die zwar zerbrechlich wirkten, aber tödlich kräftig waren.
    Mit den langen Klauenfingern packte er mich am Genick und quetschte mich zusammen wie ein Schraubstock. Mit den Flügeln drückte er meinen Arm nach hinten. Ich wehrte mich mit aller Kraft, die mir zur Verfügung stand, doch die Hand mit dem Messer konnte ich keinen Millimeter bewegen.
    Ich saß in der Falle. Und das war echt scheiße. Denn trotz des ganzen Trainings, trotz all meiner Fähigkeiten und all dem prophezeiten Bockmist hatte ich gegen dieses Wesen keine Chance.
    Rötlich-grauer Dunst benebelte meine Sinne, und ich fragte mich unwillkürlich, ob das Ganze nicht bloß ein gigantischer kosmischer Scherz war, um Lily mit großem Pomp aus dem Weg zu schaffen. Als Rache für den Versuch, ihre Schwester zu schützen. Um ihre Illusionen zu zerschmettern, es gäbe so etwas wie Gerechtigkeit auf der Welt. Zur Strafe, weil sie getan hatte, was notwendig gewesen war.
    Die Augen des Rufers brannten sich in meine, die Flügel pressten immer noch meine nut zlosen Arme an die Seite. Tödli cher waren seine Hände. Eine hielt mich am Nacken gepackt, die andere drückte mir derart fest gegen die Stirn, dass ich fürchtete, meine Halswirbel würden brechen.
    So jedoch wollte ich nicht enden. Ich sah ihn an, schleuderte ihm ein stummes Leck mich! in die schwarzen Augäpfel.
    Der Mut der Verzweiflung, das war mir klar. Er würde milden Hals brechen. Jede Sekunde konnte es so weit sein, und ich würde sterben. Wieder einmal.
    Er brach mir nicht den Hals.
    Stattdessen begann mein Körper, während ich ihm in die Augen starrte, unkontrollierbar zu zucken, und mein Kopf füllte sich mit Schmerzen, die nicht die meinen waren.
    Berührung und Augen.
    Nebelverhangene

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