Erwachende Leidenschaft
Colin sprach mit seinem Butler kurz die Anweisungen durch. Das Stadthaus sollte die nächsten dreißig Tage zu einer Festung werden, und niemand – außer der engsten Familie – würde hereingelassen werden.
»Besuch draußen zu halten, wird ja leicht werden, Mylord, Ihre Prinzessin hier drinnen zu halten, allerdings ein schwieriges Unterfangen.«
Und Flannaghans Prophezeiung erwies sich als richtig. Der Kampf begann am späten Morgen. Der Butler fand seine Herrin auf dem Boden in Colins Schlafzimmer. Sie war umgeben von einem Haufen Männerschuhe.
»Was machen Sie denn da, Prinzessin?«
»Colin braucht neue Stiefel«, antwortete sie.
»Aber er hat schon jetzt mindestens fünf Paar, die er nie trägt. Er liebt seine alten Hessians, obwohl die Wellingtons inzwischen modischer sind.«
Alesandra betrachtete die Sohlen der Schuhe. »Flannaghan, sehen Sie das? Der linke Absatz ist so gut wie nicht abgetragen.«
Der Butler kniete neben der Prinzessin nieder und musterte den Stiefel, den sie in der Hand hielt. »Er sieht brandneu aus«, stellte er fest. »Aber er ist bestimmt getragen …«
»Ja, er hat die Stiefel angehabt«, unterbrach sie ihn und nahm den dazu passenden rechten. »Der Stiefel ist gut eingetragen, finden Sie nicht?«
»Was schließen Sie daraus, Prinzessin?«
»Das Gespräch muß unter uns bleiben, Flannaghan. Mein Mann darf nichts davon erfahren. Er ist sehr empfindlich, was sein Bein betrifft.«
»Ich sage kein Wort.«
Sie nickte. »Es sieht so aus, als wäre Colins verwundetes Bein ein kleines bißchen kürzer als das andere. Ich möchte, daß ein Schuster sich diese Stiefel ansieht und ein paar kleine Veränderungen vornimmt.«
»Wollen Sie einen Absatz höher machen? Aber das wird Colin merken, Prinzessin.«
Sie schüttelte den Kopf. »Eben. Nein, ich dachte an eine Art Einlage über die ganze Länge des Schuhs … vielleicht eine weiche Ledersohle. Wer macht seine Stiefel?«
»Hoby hat ein Paar angefertigt«, antwortete Flannaghan. »Jeder Gentleman, der modisch auf sich hält, läßt bei ihm arbeiten.«
»Dann ist er nicht der Richtige«, erwiderte sie. »Ich will nicht, daß irgend jemand von diesem Experiment erfährt. Wir müssen jemand anderen finden.«
»Da ist noch Curtis«, bemerkte Flannaghan nach einigem Nachdenken. »Er hat früher die Schuhe von Colins Vater gemacht. Der Mann ist im Ruhestand, aber er lebt in London, und vielleicht können Sie ihn überreden, Ihnen zu helfen.«
»Fein, ich gehe sofort hin und spreche mit ihm. Ein Paar von den Schuhen nehme ich mit. Wenn wir Glück haben, dann merkt mein Mann nicht einmal, daß sie weg sind.«
Flannaghan schüttelte heftig den Kopf. »Sie können das Haus nicht verlassen.« Als er merkte, daß sie widersprechen wollte, setzte er hastig hinzu: »Ich werde die Aufgabe gerne übernehmen. Wenn Sie aufschreiben, was Curtis tun soll …«
»Na gut«, willigte sie ein. »Ich mache eine Liste mit Vorschlägen. Eine gute Idee. Können Sie schon heute nachmittag zu ihm gehen?«
Der Butler stimmte schnell zu. Alesandra reichte ihm die Stiefel und stand dann auf. »Wenn der Plan funktioniert, dann lasse ich Curtis ein Paar Wellingtons für Colin anfertigen. Dann hat er etwas, was er unter der Hose tragen kann. Also, Flannaghan, ich hätte da noch eine Bitte.«
»Ja?«
»Würden Sie Sir Winters eine Nachricht schicken? Ich würde ihn gerne am späten Nachmittag sehen.«
»Natürlich, gern«, antwortete der Butler. »Darf ich fragen, warum Sie den Arzt sehen wollen?«
»Ich werde heute nachmittag krank sein.«
Flannaghan stutzte einmal … dann noch einmal. »Wirklich? Aber woher wissen Sie …«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Wenn ich Ihnen das erklären soll, dann brauche ich ihr Versprechen, daß Sie Ihren Herrn belügen. Und das geht doch nicht, nicht wahr?«
»Nein, sicher nicht.«
»Sie sehen also, Flannaghan, es ist besser Sie wissen nichts.«
»Das hat etwas mit Colin zu tun, nicht wahr?«
Sie lächelte. »Möglich.«
Sie überließ Flannaghan die Aufgabe, den Rest der Schuhe wieder wegzuräumen, und ging in ihr Zimmer, um die Anweisungen für den Schuster zusammenzustellen. Die Stiefel, die sie ihm bringen lassen würde, waren aus weichem, schwarzem Hirschleder gemacht. Sie schrieb dem Schuster, sie hoffte, er könne das Oberleder weit genug dehnen, damit die Einlage, die er gewiß würde herstellen können, nicht zu spüren war.
Dann schickte Alesandra Sir Winters eine Nachricht, mit der sie um seinen
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