Erwachende Leidenschaft
mir schon gesagt, daß Besuch kommen würde, aber ich hatte ja keine Ahnung, wer es war. Und dann war er da mit seinem Gefolge, und ich verschüttete den Tee, den die Köchin ihm gemacht hatte. Nachdem er gegangen war, erschien ein Dockarbeiter an der Tür. Ich dachte, er wollte betteln, und sagte ihm, er solle an die Hintertür kommen, damit die Köchin ihm etwas zu essen geben konnte, aber die Prinzessin hörte das und mischte sich ein. Tja, sie hatte diesen Mann erwartet, und wissen Sie was? Sie behandelte ihn mit dem gleichen Respekt wie den anderen.«
»Welchen anderen?« fragte Colin, der verzweifelt versuchte, die bizarren Erklärungen seines Butlers zu verstehen.
»Den Prinzregenten.«
»Der war hier? Verdammt will ich sein!«
Flannaghan ließ sich wieder auf die Stufen plumpsen. »Wenn mein Onkel Sterns von meiner Schande hört, reißt er mir die Ohren ab.«
»Welcher Schande?«
»Ich habe Tee auf den Rock des Prinzregenten geschüttet.«
»Gut gemacht«, erwiderte Colin. »Wenn ich es mir leisten kann, bekommst du eine Gehaltserhöhung.«
Flannaghan grinste. Er hatte ganz vergessen, wie wenig sein Herr den Prinzregenten mochte. »Ich war durch seine Gegenwart völlig irritiert, aber Prinzessin Alesandra benahm sich, als wäre das nichts Ungewöhnliches. Sie gab sich voller Würde und Anmut. Aber auch der Prinzregent war nicht so blasiert wie sonst. Eigentlich verhielt er sich eher wie ein dummer Schuljunge. Es war nicht zu übersehen, daß die Prinzessin ihn gewaltig aus dem Konzept brachte.«
Alesandra tauchte oben auf dem Treppenabsatz auf. Colin sah hinauf und runzelte die Stirn. Ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust machte ihn darauf aufmerksam, daß er zu atmen vergessen hatte.
Sie sah absolut wundervoll aus in dem silbernen Kleid, das im Licht schimmerte, wenn sie sich bewegte. Der Schnitt des Kleides ließ nichts von ihrer Figur erkennen, lediglich der Ausschnitt entblößte ein Stück ihrer seidigen Haut.
Sie hatte ihr Haar hochgesteckt und ein dünnes weißes Band in ihre Locken gewunden. In ihrem Nacken kräuselten sich kleine widerspenstige Strähnchen.
Ja, sie sah atemberaubend schön aus. Jeder Nerv in Colins Körper reagierte auf ihren Anblick. Er wollte sie in seine Arme reißen, sie küssen, sie nehmen …
»Wohin zum Teufel willst du gehen?« fauchte er in seinem gewöhnlichen groben Tonfall. Wut konnte seine Lust verbergen … er hoffte es zumindest.
Ihre Augen weiteten sich. Sie begriff nicht, warum er so aggressiv klang. »In die Oper«, antwortete sie. »Der Prinzregent bestand darauf, daß ich heute abend seine Loge benutze. Raymond geht mit mir.«
»Du bleibst zu Hause, Alesandra«, sagte Colin.
»Prinzessin, bitte erwarten Sie nicht, daß ich in die Oper gehe und neben dem Prinzregenten sitze«, sagte Raymond mit einer Stimme, die für einen so großen, furchteinflößenden Mann doch etwas zu kläglich erschien.
»Er ist doch nicht da, Raymond«, erklärte sie.
»Ich kann trotzdem nicht in die Oper gehen. Das ziemt sich nicht. Ich warte in der Kutsche.«
»Ohne mich gehst du nirgendwo hin«, verkündete Colin. Dabei warf er ihr einen funkelnden Blick zu, um seine Worte zu unterstreichen.
»Dann beeil dich und zieh dich um, Colin. Ich will nicht zu spät kommen.«
»Ich hasse Opern.«
Er klang wie ein kleiner Junge, der seinen Brei nicht essen wollte. Sie dachte nicht daran, Mitgefühl für ihn zu haben. Sie mochte die Oper auch nicht besonders, aber das würde sie ihm bestimmt nicht gestehen. Jedenfalls konnte sie den Prinzregenten nicht damit beleidigen, daß sie das Angebot seiner Loge ausschlug.
»Dein Pech, Colin. Du hast mir eben dein Versprechen gegeben, mitzukommen. Also beeil dich.«
Alesandra hob den Saum ihres Kleides und kam die Treppe herunter. Flannaghan beobachtete sie mit offenem Mund. Sie lächelte ihn an, als sie an ihm vorbeikam.
»Sie bewegt sich wie eine Prinzessin«, flüsterte Flannaghan.
Colin grinste. »Sie ist eine Prinzessin, Flannaghan.«
Doch dann versiegte Colins Lächeln plötzlich. Alesandras Kleid war weiter ausgeschnitten, als er gedacht hatte. Er konnte ihren Brustansatz sehen.
»Du mußt dich umziehen, bevor wir irgendwo hingehen«, sagte er.
»Wieso denn das?«
Er murmelte etwas Unverständliches, sagte dann aber lauter: »Dieses Kleid ist zu … zu aufregend. Willst du, daß jeder Mann dich frech anstarrt?«
»Glaubst du denn, das würde geschehen?«
»Teufel, ja!«
Sie lächelte. »Fein.«
»Willst du etwa
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