Erwachende Leidenschaft
gutaussehende Mann dort in der Tür mußte Colins Bruder sein. Das Lächeln war praktisch identisch. Caines Haar war jedoch ein bißchen heller, und seine Augen hatten eine vollkommen andere Farbe. Sie waren grau und ihrer Meinung nach nicht annähernd so anziehend wie Colins eher grüne Augen.
Alesandra versuchte einen Knicks, aber Colin hinderte sie daran. Er packte sie wieder am Arm und stieß sie sanft durch die Tür.
Sie kniff ihn, damit er sie losließ. Ein Tauziehen entbrannte, als er versuchte, ihr den Umhang abzunehmen. Sie schlug immer wieder seine Hand weg, während sie versuchte, ihren Block aus der Tasche zu fischen.
Caine stand hinter seinem Bruder. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und gab sich alle Mühe, nicht laut loszulachen. Er hatte seinen Bruder eine lange Zeit nicht mehr so aufgewühlt und lebendig gesehen.
Alesandra hatte endlich ihre Liste aus der Tasche genestelt. »So, jetzt darfst du meinen Umhang nehmen. Vielen Dank.«
Colin verdrehte die Augen zum Himmel. Er warf ihren Umhang in Caines Richtung, der ihn aus der Luft heraus auffing. Da bemerkte Colin die Notizen in Alesandras Hand. »Warum in Gottes Namen hast du denn die mitgebracht?«
»Ich werde sie brauchen«, erklärte sie. »Ich begreife einfach nicht, was du gegen meine Liste hast, Colin, das ist absolut unverständlich.«
Dann wandte sie sich an Caine. »Sie müssen die Grobheit Ihres Bruders verzeihen. Er ist sehr krank gewesen.«
Caine grinste, während Colin den Kopf schüttelte. »Du brauchst mich wahrhaftig nicht zu entschuldigen«, stellte er fest. »Caine, dies ist die Frau, die du als die Pest bezeichnet hast. Alesandra – mein Bruder.«
Sie versuchte wieder zu knicksen, und Colin verdarb es ihr erneut. Sie wollte sich gerade vorbeugen, um ihren Rock zu ‚raffen, als Colin ihre Hand packte und sie in den Salon zerrte.
»Wo ist deine Frau, Caine?« rief Colin über die Schulter zurück.
»Oben bei Mutter«, antwortete er.
Alesandra riß an Colins Hand, um sich loszumachen. »Warum wirfst du mich nicht einfach in einen Sessel und läßt mich in Frieden? Du hast es ja offenbar sehr eilig, mich loszuwerden!«
»Welchen Sessel hättest du denn gern?«
Endlich ließ er sie los. Sie trat einen Schritt zurück und stieß gegen Caine. Sie wandte sich um, bat ihn um Verzeihung für ihr ungeschicktes Benehmen und fragte dann nach seinem Vater. Sie wollte ihn unbedingt so bald wie möglich sprechen, erklärte sie.
Caine wagte es nicht, zu lächeln. Prinzessin Alesandra war ein hübsches Ding: Ihre blauen Augen strahlten, und die Sommersprossen auf ihrer Nase erinnerten ihn an Jade, seine eigene Frau. Nein, sie war tatsächlich ausgesprochen schön, erkannte er schließlich.
»Jenkins ist nach oben gegangen, um meinem Vater zu sagen, daß Sie hier sind, Prinzessin Alesandra. Machen Sie es sich doch einfach bequem, während Sie auf ihn warten.«
Sie fand die Idee ganz hervorragend. Caine hatte offenbar die gesamte Familienerziehung genossen. Er war sehr höflich und manierlich – eine nette Abwechslung zum Verhalten seines Bruders.
Colin stand neben dem Kamin und beobachtete sie. Sie ignorierte ihn. Sie hatte nicht darauf geachtet, wie das Haus ihres Vormunds von außen aussah, aber sie nahm an, daß die Fassade genauso großartig war wie das Interieur. Der Salon war mindestens viermal so groß wie der Colins. Drei Sofas waren im Halbkreis um den Kamin aus elfenbeinfarbenem Marmor gruppiert. In diesem hübschen Raum befanden sich die Schätze, die der Duke of Wiliamshire in der ganzen Welt zusammengetragen hatte. Sie ließ ihren Blick schweifen, bis ihre Aufmerksamkeit von einem schimmernde Objekt gefesselt wurde, das auf dem Kaminsims stand. Ein Laut der Freude entfuhr ihr. Das goldene Modell vom Schloß ihres Vaters war ganz und gar nicht fehlplaziert worden. Das Kunstwerk, das die Heimat ihrer Kindheit darstellte, hatte zwar nur die Größe einer kleinen Brandykaraffe, war aber absolut detailgetreu gestaltet worden.
Der glückselige Ausdruck auf Alesandras Gesicht verschlug Colin den Atem. »Alesandra?« fragte er.
Sie wandte sich mit einem Lächeln zu ihm. Dann trat sie an den Kaminsims und zog mit bebendem Finger die Konturen des kleinen Türmchens nach. »Das ist meine Heimat, Colin. Das Schloß heißt Stone Haven. Dort lebte ich mit meinen Eltern.«
»Ich dachte, dein Vater hätte abgedankt, als er deine Mutter heiratete.«
Sie nickte. »Ja. Aber er hat Stone Haven vor seiner Hochzeit
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