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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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mich in diesem Augenblick halten wollte. Aber ich beobachtete, wie sein Gesicht wieder einen verschlossenen Ausdruck bekam.
    »Es ist kompliziert. Bald wirst du es verstehen. Früher, als du denkst. Ich hätte nicht so leichtsinnig, so selbstsüchtig sein dürfen. Es tut mir leid.« Er blickte auf seine Füße wie ein Kind, das ein schlechtes Gewissen hatte. Ich glaube, das war das dritte Mal, dass er sich bei mir entschuldigt hatte. Nicht gerade ein ermutigendes Zeichen.
    »Linc, ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Und weißt du was, ich fand das ziemlich unglaublich für einen Kuss.« Ich war froh, dass es dunkel war und er nicht sehen konnte, wie ich rot anlief.
    Er gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen einem Seufzen und einem frustrierten Brummen angesiedelt war. Er zog mich in eine Umarmung, und ich ließ mich hineinfallen, wobei er mich fast zerdrückte. Ich wurde das seltsame Gefühl nicht los, dass wir diesen Augenblick stahlen und dass es nichts nützen würde, ihn festhalten zu wollen. Lincolns nächste Worte waren leise, und vielleicht richteten sie sich nicht einmal an mich, aber sie brannten sich mir geradewegs in die Seele.
    »Hattest du je gedacht, dass wir nicht unglaublich wären?«

KAPITEL SIEBEN
    »Eine Lüge hätte keinen Sinn, wenn man die Wahrheit nicht als gefährlich empfinden würde.«
    ALFRED ADLER
     
    » O HMEINGOTT! Und dann …?« Steph hyperventilierte am Telefon. Ich zuckte zusammen und legte mir die Hand an den Kopf.
    »Dann … begleitete er mich nach Hause und sagte kaum Gute Nacht, bevor er sich aus dem Staub machte.«
    »Was? Das war alles? Enthältst du mir etwas vor? Ich verstehe das nicht!«, rief sie, wobei ihre Tonlage mit jeder Frage höher wurde.
    »Ich auch nicht.«
    Mir war zum Heulen zumute. Ich wusste jetzt nicht nur, dass ich etwas von ihm wollte, sondern auch, dass ein Teil von ihm auch mich wollte und dass wir zusammen einfach unglaublich waren.
    »Oh, Vi, mach dir keine Sorgen. Eines Tages werdet ihr das hinkriegen. Vielleicht macht er sich einfach nur Gedanken wegen des Altersunterschieds oder er hat Angst, dir wehzutun oder so etwas.«
    Das war gut möglich, und daran klammerte ich mich, als hätte ich die letzte Schwimmweste auf der Titanic erwischt. Den Mist mit dem Altersunterschied glaubte ich nicht; fünf Jahre Unterschied war nicht besonders viel. Aber die andere Theorie war möglich. Nach all dem, was er über mich herausgefunden hatte, wusste er vielleicht nicht, wie er auf diese Weise mit mir umgehen sollte. Vielleicht dachte er, ich wollte nicht mit ihm zusammen sein. Das war weit hergeholt, war aber das Einzige, was ich hatte.
    »Steph, ich muss jetzt los. Ich muss zu ihm. Ich habe die Nase voll davon. Entweder so oder so, aber ich muss wissen, was los ist.«
    »Das wird aber auch Zeit! Ich erwarte später eine ausführliche Berichterstattung. Ciao. Oh – nimm einen Schirm mit.«
     
    S chirm war noch untertrieben. Als ich nach draußen ging, fiel sintflutartiger Regen. Mein Vorhaben, mir auf dem Weg zu Lincoln eine Rede zurechtzulegen, löste sich in nichts auf. Ich öffnete die Tür eines Taxis und hatte plötzlich nur noch wenige Minuten, mich zu sammeln und eine rasche Strategie zu entwerfen.
    Ich wusste, dass ich herausfinden musste, warum genau er nicht mit mir zusammen sein wollte. Selbst wenn es die demütigendste Erfahrung meines Lebens werden würde, musste ich es tun. Ich konnte nicht weiterhin so tun, als wäre nichts zwischen uns. Falls er sich wegen meiner Vergangenheit Sorgen machte, konnte ich ihm versichern, dass ich keine Angst hatte, mit ihm zusammen zu sein. Das würde ich definitiv hinkriegen.
    Ich sah auf die Uhr, als das Taxi vor Lincolns Wohnung anhielt. Es war Mittag. Mir fiel wieder ein, dass wir eigentlich heute Morgen zusammen hatten laufen gehen wollen. Er war nicht aufgetaucht, um mich abzuholen, oder hatte auch nur angerufen. Zweifel stiegen in mir auf und mein Magen krampfte sich zusammen. Ich überlegte, ob ich einfach schnurstracks nach Hause fahren sollte. Auch wenn ich nicht darüber nachdenken wollte, auch wenn ich versucht hatte, es zu verdrängen, konnte ich eine weitere Möglichkeit nicht ignorieren. Nun, da Lincoln meine Geheimnisse kannte – konnte es sein, dass er mich für wertlos hielt?
    Hier stand ich nun im strömenden Regen und versuchte herauszufinden, wie ich es schaffen könnte, dass zwischen uns etwas passierte, während er mir wahrscheinlich aus dem Weg ging. Ich stellte mich in der

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