Erwacht
fragte ich und merkte plötzlich, dass ich Phoenix nun als einen Teil meiner Welt, einen Teil meines Lebens betrachtete.
Er lächelte und ich konnte sehen, dass er wusste, was ich dachte. Ich wurde rot und klatschte ihm auf die Schulter.
»Weißt du, wenn du ein Grigori wärst, würdest du um einiges fester zuschlagen.« Er lachte laut, was mein Herz ein bisschen schneller schlagen ließ. Wer hätte das gedacht – es schlägt tatsächlich noch!
»Irgendwann, Violet«, er stand auf und zog mich aus dem Sitz hoch, wobei er seine Finger mit meinen verflocht und am Schild meiner Baseballmütze zupfte, »irgendwann werde ich dir alles erzählen.«
N achdem er mir noch ein paar Tage hinterhergelaufen war, ließ ich Phoenix in die Wohnung. Es war keine Kleinigkeit für mich, ihn in mein privates Refugium zu lassen. Die einzigen Menschen, die ich je zu mir eingeladen hatte, waren Steph und Lincoln. Aber Phoenix hatte mich so lange genervt, bis ich nachgab. Er schien so entzückt von mir, so interessiert. Ich wusste, dass das in gewisser Weise mit diesem ganzen Grigori-Ding zusammenhing, aber oft, wenn ich mit ihm zusammen war, fühlte es sich an, als würde ich einfach mit einem Freund abhängen.
P hoenix zollte meinem persönlichen Bereich nur wenig Respekt – was mich meine Entscheidung überdenken ließ, ihm mehr als ein Mal Zutritt zu gewähren. Nach nur einem Tag lag er in meinem Zimmer herum, las meine begrenzte Auswahl an Büchern und fummelte an allem herum, als wäre es sein Eigentum. Was das Atelier anging, setzte ich mich allerdings durch, als er mir dorthin folgen wollte. Niemand, nicht einmal Dad, kam hier herein. Ich konnte jedoch nicht abstreiten, dass ich mich besser fühlte, wenn Phoenix da war. Ich wusste, dass das vielleicht nur an seinem Einfühlungsvermögen lag, aber es gab noch einen anderen Grund – ich mochte ihn.
Ich stellte ihm eine Menge Fragen. Er gab mir auch eine Menge Antworten. Natürlich waren sie nicht immer vollständig und führten oft nur zu weiteren Fragen, aber er versuchte es und stellte seinerseits ebenfalls Fragen. Einige beantwortete ich, vielen wich ich aus. Hin und wieder ermutigte er mich dazu, Lincoln zu treffen, er behauptete, es sei zu meinem eigenen Besten. Noch immer hatte ich Lincoln nicht gesehen oder mit ihm gesprochen, seit ich vor ein paar Wochen aus seinem Wagen gestürzt war. Er wusste nicht einmal, was mit Claudia geschehen war. Ich dachte kurz daran, ihn anzurufen und es ihm zu sagen, aber ich hatte es bisher noch nicht geschafft, den Hörer in die Hand zu nehmen. Alles in allem ignorierte ich das Thema, so gut es ging … Bis heute.
Es war Vormittag und Phoenix war vorbeigekommen, weil wir ins Kino gehen wollten. Wir saßen in der Küche und frühstückten, als Dad hereinkam.
»Hey, Dad. Alles okay?«, fragte ich.
»Morgen, Liebes.« Er gab mir einen Kuss auf den Kopf. Er duftete nach Rasiercreme und Aftershave. Schon seit ich denken konnte, benutzte er diese eine Marke.
»Ich bin eigentlich auf dem Weg zu einem Kunden, aber ich habe gestern Abend einen der Entwürfe hier vergessen.«
Dads Blick schweifte zu Phoenix, dann wieder zu mir.
»Oh, entschuldige. Dad, das ist ein Freund von mir, Phoenix.«
Dads Hand erstarrte auf dem Stapel Papier, den er gerade durchwühlt hatte, als wären ihm just im Moment zwei Dinge klar geworden: Es war noch jemand in der Wohnung – und dieser Jemand war männlich.
Er straffte die Schultern und richtete seine Aufmerksamkeit auf Phoenix.
»Hallo, Phoenix, schön, dich kennenzulernen«, sagte er, auch wenn sein Gesichtsausdruck etwas anderes sagte. Er ging dabei vorsichtig auf Abstand, wie es nur ein Vater vermochte.
»Ganz meinerseits, James«, sagte Phoenix und blickte dabei kaum von dem Magazin auf, das er gerade an der Küchentheke durchblätterte.
Dad und ich wechselten einen kurzen Blick, bevor ich die Vater-Tochter-Telepathie rasch unterbrach. Phoenix war der erste meiner Freunde, der meinen Vater mit dem Vornamen anredete. Selbst Lincoln nannte ihn Mr Eden, obwohl Dad ihm angeboten hatte, James zu ihm zu sagen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Dad ihm das Du angeboten hätte, wenn Phoenix nicht einfach mit der Tür ins Haus gefallen wäre.
»Kaffee?«, fragte ich. Ablenkungsmanöver für Anfänger.
»Nein, danke, ich muss los, aber du denkst daran, dass heute Abend diese Benefizveranstaltung stattfindet. Du kommst doch?«
Das hatte ich tatsächlich vergessen. Es handelte sich um ein
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