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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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19A
     
    L incoln ging nicht ans Telefon. Ich hinterließ eine Nachricht und war schon halb aus der Wohnung, als mich Phoenix am Arm packte. »Was hast du vor?«
    Ich schüttelte ihn ab. »Ich muss Lincoln finden«, blaffte ich.
    Er stand neben mir, während ich auf den Aufzug wartete. Als ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen anblickte, zuckte er mit den Achseln. »Keine Chance, dass ich dich allein da rausgehen lasse. Vor allem nicht zurück zu ihm.«
    Er klang ein bisschen kindisch und ich verdrehte die Augen, aber ich meinte es nicht wirklich so. In Wahrheit war ich froh, nicht allein zu sein.
    Halb ging ich, halb rannte ich zu Lincolns Wohnung, Phoenix lief mir hinterher. Ich drückte gut fünf Minuten lang auf den Summer, und als ich anfing, an die Tür zu hämmern, legte er seine Hand auf meine, um mich zu stoppen. Lincoln war nicht zu Hause und ich hatte keine Ahnung, wo ich sonst hingehen sollte. Ich wusste nicht, wo Griffin wohnte oder wo er sein könnte. Insgeheim fluchte ich über mich selbst, weil ich Lincoln nie um Griffins Nummer gebeten hatte.
    Der einzige andere Ort, der mir einfiel, war die Lagerhalle von letzter Nacht. Ich wusste, dass sie nicht weit von Lincolns Wohnung entfernt war, aber ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, in welche Richtung. Nach einer kurzen Erklärung für Phoenix flitzte ich Lincolns Treppe hinunter und begann, willkürlich irgendwelche Straßen auszuwählen, wobei ich immer orientierungsloser wurde. Obwohl ich ein ziemliches Tempo vorlegte – was ohne Zweifel auf mein Langstreckentraining zurückzuführen war –, hatte Phoenix keine Schwierigkeiten, mir zu folgen.
    Schließlich fiel er jedoch zurück. »Violet, du hast doch keine Ahnung, wo du bist!«, rief er.
    »Das weiß ich selbst, Phoenix! Danke für die Hilfe!«, brüllte ich zurück und verlangsamte meine Schritte. Panik und Angst setzten mir schwer zu und ich konnte nicht verhindern, dass mich eine dunkle Vorahnung beschlich.
    »Wenn du möchtest, dass ich dir helfe, brauchst du nur zu fragen.« Er hatte inzwischen angehalten und beschränkte sich nun darauf, mir vom anderen Ende der Straße zuzubrüllen.
    Ich wandte mich zu ihm um und warf frustriert die Arme in die Höhe. »Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen , dass ich das, was gestern Abend passiert ist, nachvollziehen kann, wenn du mal ein paar Minuten stillhältst.«
    »Oh«, sagte ich und kam mir bescheuert vor. »Ich halte still.«
    Ich wartete und beobachtete ihn, wobei ich versuchte, den Gestank verrottenden Mülls nicht einzuatmen, der zusammen mit Hitzewellen auf mich zugewabert kam. Phoenix neigte hin und wieder den Kopf in eine andere Richtung, als würde er versuchen, das weit entfernte Zwitschern eine Vogels zu hören. Er begann, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. »Da lang.«
    Ich musste rennen, um ihn einzuholen. Als wir außer Sichtweite von Passanten waren, blieb Phoenix wieder stehen.
    »Komm schon, wir müssen sie finden!«
    Ich keuchte, war zittrig und mit meiner Geduld am Ende. Ich wusste, dass er nur versuchte zu helfen, aber in diesem Augenblick war er auch das einzige Ventil, das ich für den Schrecken hatte, der seine Krallen in mich schlug. Irgendetwas stimmte nicht.
    Phoenix grinste gelassen, was mich nur noch mehr reizte. Sein Atem ging noch nicht mal schnell. »Ich wollte nur rechtzeitig Hilfe anbieten, nachdem du die erste halbe Stunde damit verschwendet hast, in die falsche Richtung zu rennen. Ich dachte, du hättest es vielleicht eilig.«
    Ich stand vorübergebeugt mit den Händen auf den Knien da, schnappte nach Luft und funkelte ihn an.
    »Nimm meine Hand.« Er lächelte, als wollte er mich herausfordern.
    Ich hielt ihm meine verschwitzte Hand hin. Er rümpfte die Nase, als er sie sah.
    »Was?«, sagte ich gereizt.
    Er blickte weiter starr auf meine Hand, bis ich verärgert schnaubte und sie an meiner Jeans abwischte.
    »Ich sagte doch, dass es dir damit zu warm werden würde«, sagte er grinsend.
    »Ja, und? Habe ich dir schon mal gesagt, dass ich manchmal ziemlich kühl werden kann?«, fauchte ich ihn an. Er schien einfach nur amüsiert zu sein und ergriff meine Hand, als ich sie erneut ausstreckte.
    Das Gefühl traf mich ohne Vorwarnung. Als würden wir uns in hoher Geschwindigkeit bewegen und gleichzeitig stillstehen. Als wären wir der Wind, und die Welt um uns herum bewegte sich. Meine Kleider blieben unbewegt, mein Haar flatterte kaum. Eine Sekunde später waren wir an der Lagerhalle. Jetzt verstand

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