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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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unbeeindruckt von den zusätzlichen Verbannten, die einfach so aufgetaucht waren.
    »Oh, tut mir leid. Wie unhöflich von mir.« Onyx bewegte seine Hand parallel zum Boden und es war, als würde eine Wolke der Finsternis gelüftet. Auf dem Boden lagen Lincoln und Magda. Ich konnte das Blut sehen, das um Lincoln herum eine Pfütze bildete. Es war noch frisch und sickerte weiterhin nach außen. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Magda rührte sich kaum wahrnehmbar. Sie war am Leben, aber definitiv in keinem guten Zustand. Sie konnte nicht einmal den Kopf heben, um uns anzuschauen.
    »Lincoln!«, schrie ich. Er bewegte sich nicht.
    Onyx stand über ihnen, er sah aus, als würde er sich amüsieren. »Ich muss zugeben, ihr seid früher gekommen, als ich erwartet hätte.« Er schaute bedauernd auf Lincoln hinunter. »Schade, dass wir nicht mehr Zeit haben.«
    Einer der Verbannten, die hinter dem Kandelaber aufgetaucht waren, kam herüber und stellte sich neben Onyx, während die übrigen in entgegengesetzten Ecken des Raumes blieben und Wache hielten.
    Onyx deutete auf Lincoln. »Der da ist stark, aber abgelenkt.« Er lächelte mich an. »Ich frage mich … Bist du die Ablenkung?«
    Ich wurde bleich, als mir die Bedeutung der Worte klar wurde. War dies meine Schuld gewesen?
    Onyx zog eine Augenbraue hoch. »Wie heißt du?«
    »Violet«, sagte ich schnell. »Lebt er noch?« Ich wusste, dass ich nicht viel mehr würde sagen können, ohne zu verraten, wie verängstigt ich war, aber ich musste es wissen.
    »Nicht mehr lange.« Er neigte den Kopf zu mir. »Violet? Ah … Die Siebente Farbe. Wie faszinierend. Du wirkst wie ein Grigori und doch … bist du etwas … Neues.« Er streckte mir die Hand hin. »Komm«, sagte er leise.
    »Nein«, sagte ich, aber mein Körper machte einen Schritt auf ihn zu, hinein in eine Art Dickicht aus Blumenduft. Ich konnte nicht anders. In diesem Augenblick wusste ich, dass ich keine Wahl hatte und gezwungen war, alles zu tun, was er von mir verlangte. Ich schloss die Augen und versuchte, alles aufzubringen, was ich an innerem Widerstand besaß, weil ich die Nase voll hatte von Leuten, die mich beeinflussen wollten.
    Als ich die Augen öffnete, stand er direkt vor mir, so dass fast nichts mehr zwischen uns Platz hatte. Alles, was ich hören konnte, war das Schlagen von Flügeln. Ich wusste nicht, ob ich zu ihm gekommen war oder er zu mir. Das war wohl gleichgültig. Was nicht gleichgültig war, war die Tatsache, dass ich jetzt in seiner Reichweite war.
    Er überragte mich um Einiges und obwohl er einschüchternd war, wirkte er auf mich seltsam … elegant. Er hatte kurzes, nach hinten gestyltes Haar, das mehr als die normale Dosis Haarwachs abbekommen hatte. Er sah weltmännisch aus, auf eine »Stolz-darauf-böse-zu-sein«-Art. Mit seinen hohen Wangenknochen und feinen Gesichtszügen sah er jung aus – nicht älter als zwanzig. Während ich an Bissen von unsichtbarem Apfel würgte, schien er sich einfach nur zu amüsieren und mich zu studieren, wie ein bizarres wissenschaftliches Projekt.
    »Geh weg von mir«, sagte ich.
    Er lachte schrill und gackernd. Das überraschte mich; es war nicht das tiefe Lachen, das ich von ihm erwartet hätte. »Du hast Wirkung auf andere, Mädchen, das muss man dir lassen. Aber du bist noch nicht vollendet. Schau mich an.« Seine letzten Worte hallten in meinem Kopf nach. Mein Blick schwenkte ohne meine Erlaubnis zu ihm hinauf. »Du wirst noch modelliert«, sagte er nachdenklich. »Der Ton ist noch feucht.«
    Ich hatte absolut keine Ahnung, wovon er sprach – ich war kein Experte in Psychogelaber. Ich wollte unbedingt Lincoln anschauen, zwang mich aber, es nicht zu tun. Es würde nichts helfen.
    Wo zum Teufel ist Phoenix?
    Onyx starrte mich weiterhin an, er schaute in mich hinein, als würde er mein Gehirn nach meinen innersten Gedanken durchforsten. Es war ein unangenehmes Gefühl. Ich sah seine Augen aufblitzen.
    »Du lehnst dein Schicksal ab. Oh …« Er klatschte spielerisch in die Hände.
    »Was?«, sagte ich. Dabei klang ich voll und ganz wie der trotzige Teenager, der ich immer mehr wünschte zu sein, von dem ich mich jedoch immer weiter zu entfernen schien.
    Anstatt mir zu antworten, richtete er seine Aufmerksamkeit auf irgendetwas hinter mir. Sein Verhalten änderte sich rasch. Er richtete sich auf, räusperte sich und entfernte sich ein wenig von mir.
    »Hmm … Ich kann nie genug kriegen von dem Drama, das die Menschheit umgibt.« Er sagte das leichthin,

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