Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
genug, um einen umzubringen.«
»Das silberne Röhrchen, das ich in Boston in deinem Schreibtisch gefunden habe«, murmelte Tavia. »Warum wolltest du so etwas behalten?«
Er brauchte nicht zu antworten, sie verstand seinen Grund auch so. Diese Dosis Crimson war sein Fluchtplan, seine silberne Kugel, falls die Blutgier ihn endgültig packte. Und die Frage war immer weniger ob, sondern nur noch, wann es so weit war.
Er stieß einen rauen Fluch aus.
Weggehen. Das war es, was er tun sollte – wie er es bisher jedes Mal getan hatte, wenn seine Probleme zu real, zu übermächtig wurden. Und jetzt war da ein Teil von ihm, der nichts lieber wollte, als in die Nacht zu verschwinden und nie mehr zurückzuschauen. Nur wegrennen … bis die Sonne kam und all seine Probleme – all sein verdammenswertes Versagen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – verzehrte.
Das wäre die einfache Variante gewesen. Die schwere Variante war, hier sitzen zu bleiben und die heftigen Krämpfe durchzustehen, die seinen Körper schüttelten. Die schwere Variante war, seine Schwäche und seine hässlichsten Sünden bloßzulegen, dabei in Tavias sanfte Augen zu sehen und auf den Augenblick zu warten, wenn ihre Besorgnis zu berechtigter Verachtung mutierte. Oder noch schlimmer, Mitleid.
Aber Tavias Augen ließen ihn nicht los. Diese klaren, ruhigen, hellgrünen Augen hielten ihn in der Dunkelheit wie eine Liebkosung. Als er sie jetzt ansah, erkannte er, dass das wilde Glühen seiner Augen aufgehört hatte, ihr Gesicht war nicht mehr in ihren bernsteinfarbenen Schein getaucht. Sogar das hungrige Pulsieren seiner Fänge hatte nachgelassen, seit er allein mit ihr hier draußen war.
»Du hast den Kampf noch nicht verloren, Chase«, sagte sie zu ihm. »Gibt es nichts, was du tun kannst, um wieder gesund zu werden? Vielleicht kann ich dir dabei helfen, mit etwas Zeit. Das würde ich gerne versuchen, wenn du mich lässt.«
Er starrte sie an, geplättet von dem ehrlichen Mitgefühl – von der Tiefe des Gefühls, das er kaum erfassen konnte – , das aus ihrem schönen Gesicht strahlte. Er konnte nicht widerstehen, die Hand auszustrecken und ihr die Wange zu streicheln.
»Wie kannst du so liebevoll sein, nach allem, was du gerade gehört hast? Wo ich dir das Leben zur Hölle mache, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe?«
»Du hast mein Leben nicht zur Hölle gemacht. Das war Dragos.« Ihre Hände waren warm und tröstlich an seinem Gesicht, als sie ihn an sich zog und ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte. »Du hast mir die Wahrheit gesagt, Chase. Von Anfang an. Du hast mir die Augen geöffnet. Mir gefällt vielleicht nicht alles, was ich sehe, aber es ist real und ehrlich, und endlich fühle ich mich wirklich lebendig. Das alles hast du mir gegeben.«
Er fluchte leise und fragte sich, wie er nur hatte zulassen können, dass diese Frau ihm so unter die Haut ging. Und noch schlimmer, irgendwie war sie auch in sein Herz gekommen, in sein Blut. Welche Ironie des Schicksals es doch war, dass er sie ausgerechnet jetzt gefunden hatte, wo das Letzte, was er verdiente, eine so außergewöhnliche Frau wie Tavia Fairchild war.
Ob er sie verdiente oder nicht, Chase schlang ihr die Hand um den Nacken, zog sie an sich und küsste sie. Sie schmeckte so süß, fühlte sich so gut und warm an, als sie sich an ihn schmiegte und die Lippen öffnete, um seine Zunge einzulassen.
Er hätte sie die ganze Nacht lang küssen können. Das hätte er wohl auch getan, wenn nicht plötzlich die Kinder aus dem Haus gerannt wären, um sich mit großem Hallo in den Schnee zu stürzen. Chase blickte sich um und sah, wie Mira, Kellan und Nathan mit den beiden Hunden des Hauptquartiers, Alexandras majestätischer grau-weißer Wolfshündin aus Alaska und einem rauflustigen braunen Terriermischling, der Dante und Tess gehörte, von der Terrasse in den tannengesäumten Hof sprangen.
Die Kinder rannten direkt an ihnen vorbei, blieben kaum stehen, um Chase und Tavia zu bemerken, die eng umschlungen dasaßen. Kellan bückte sich, packte eine Handvoll Schnee und formte einen Schneeball. Er warf ihn auf Mira und verfehlte sie nur um Zentimeter, als sie nach rechts auswich und sich mit einem eigenen Wurfgeschoss revanchierte. Sie erwischte den Teenager voll auf der Brust.
»Echter Profi«, rief Chase ihr zu, was ihm ein breites Grinsen von der winzigen blonden Göre einbrachte.
Mehr Salven wurden zwischen Mira und den beiden Jungen ausgetauscht, bis plötzlich Chase
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