Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
Erwartung zur Decke auf. Was genau sie erwartete, konnte sie nicht sagen. Aber immer, wenn sie versuchte, die Augen zu schließen und sich endlich zu entspannen, machte ihr Körper ihr einen Strich durch die Rechnung.
Ihr Blut rauschte ihr in den Ohren und durch die Adern. Ihre Muskeln waren angespannt, alles prickelte und zuckte vor ungenutzter Energie. Sie wollte sich schon aufsetzen und etwas im Zimmer herumgehen, um diese Rastlosigkeit loszuwerden, als sie hörte, wie sich die Haustür öffnete.
Stimmen in der Diele: Tante Sarah ließ Dr. Lewis ein und erklärte ihm kurz den Grund für diesen Hausbesuch. Die beiden unterhielten sich gedämpft. Sie waren am anderen Ende der Diele, und dann lag noch das Wohnzimmer zwischen ihnen, aber trotzdem konnte Tavia das Wesentliche hören.
»Zwei ganze Nächte ohne Medizin«, informierte ihn Tante Sarah, ihre leise Stimme klang gestresst.
Dr. Lewis’ Bariton war gedämpft, kaum mehr als ein tiefes Flüstern, das durch die Wände in Tavias Zimmer drang. »Gibt es äußerliche Indikationen für einen systemischen Notfall?«
»Nein. Aber sie sagte etwas von … Veränderungen .« Das letzte Wort war geflüstert und doch bedeutungsschwer. Tavia setzte sich auf dem Bett auf und konzentrierte sich, damit ihr kein Wort entging.
»Zu diesen Veränderungen kam es, während sie mit ihm zusammen war?«, fragte Dr. Lewis.
»Das war mein Eindruck, ja.«
Eine Pause. »Kam es zu Kontakt mit ihm, körperlicher oder … intimer Natur?«
Oh Gott. Tavia zuckte zusammen, sie hasste es, wie jeder Aspekt ihres Lebens ständig diskutiert und seziert wurde. Sie hasste ihre langjährige Krankheit schon aus diesem Grund. Wirkliche Privatsphäre war etwas, das sie nie gekannt hatte.
»Ich kann nicht definitiv sagen, was zwischen ihnen vorgefallen ist«, antwortete Tante Sarah. »Sie sagte, sie sei gefesselt worden, und er hätte ihr eine Menge Fragen gestellt. Mehr hat sie nicht erwähnt.«
»Mhm … und wie wirkte sie heute bei ihrer Ankunft auf Sie? Irgendetwas Ungewöhnliches?«
Dielenbretter knarrten leise, als die beiden begannen, durch das Haus zu gehen, immer noch bemüht, leise zu sprechen. Sie mussten jetzt am Ende der Diele angekommen sein, wenn Tavia ihren Ohren trauen konnte.
»Sie fühlte sich warm an, aber nicht so, als hätte sie Fieber. Und ihr Gesicht war gerötet. Sonst ist mir nichts Ungewöhn-liches an ihr aufgefallen.«
»Sonst nichts?«, knurrte Dr. Lewis. »Das an sich ist schon ungewöhnlich. Achtundvierzig Stunden ohne chemische Unterdrückung der Symptome sollten doch auffällige Reaktionen hervorgerufen haben. Wir haben es bei den anderen gesehen.«
Bei den anderen? Tavia hielt den Atem an, als ein Blitz sie durchzuckte, so kalt wie Eis. Wovon redet er da? Was für andere?
»Sie klagte über Müdigkeit«, fügte Tante Sarah hinzu. »Ich habe sie ins Bad geschickt, sie hat geduscht und sich dann hingelegt.«
»Schläft sie immer noch?«
»Ja. In ihrem Schlafzimmer am Ende der Diele.«
»Gut«, sagte Dr. Lewis. »Ich werde zu ihr hineingehen und sie mir schnell ansehen, bevor wir sie wecken, um festzustellen, ob eine stationäre Behandlung erforderlich ist.«
Jede Sehne und jedes Nervenende ihres Körpers feuerten kleine Explosionen in ihr ab, als die Schritte sich ihrer geschlossenen Schlafzimmertür näherten. Ihre Sinne waren jetzt übernatürlich scharf, ihre Haut prickelte wie von einem Regen Tausender winziger Nadeln. Sie fuhr zusammen, als der Türknauf sich drehte, die Tür sich langsam öffnete und Dr. Lewis erschien.
»Oh. Tavia, Sie sind ja wach.« Er lächelte ein wenig, sein Mund war zum Teil hinter seinem ergrauenden Schnurrbart verborgen. »Ihre Tante sagte mir, Sie hätten sich etwas aufs Ohr gelegt. Ich hoffe, ich habe Sie nicht aufgeweckt.«
Sie war zu angespannt, um sich mit Höflichkeiten aufzuhalten. »Was stimmt nicht mit mir, Dr. Lewis?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, darum bin ich hier«, sagte er und trat in den Raum. Er trug seinen großen ledernen Arztkoffer, den er immer auf Hausbesuchen dabeihatte. Tavia hatte ihn und die kalten Instrumente und bitteren Pillen darin öfter in ihrem Leben gesehen, als ihr lieb war.
»Nein, nein. Bleiben Sie nur sitzen«, sagte er, als sie Anstalten machte, vom Bett aufzustehen. »Überhaupt kein Grund, sich Sorgen zu machen. Jetzt ist alles unter Kontrolle. Sie werden sehen, ich kriege Sie gleich wieder hin.«
Tavia beäugte ihn argwöhnisch. »Da passiert etwas mit mir.«
»Ich weiß«,
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