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Erwarte mich in Paris (German Edition)

Erwarte mich in Paris (German Edition)

Titel: Erwarte mich in Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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wispern.  
    „Bete das Mea Culpa und gestehe deine Schuld.“ Ein Gertenhieb zischte auf meine nackten Schultern.  
    Erschrocken zuckte ich unter dem scharfen Schmerz zusammen und begann augenblicklich das katholische Schuldbekenntnis, das mir meine Großmutter schon als kleines Kind beigebracht hatte, zu rezitieren.  
    „Confiteor Deo omni potenti et vobis, fratres…“  
    Ich hörte ein Seil über Holz schleife. Dann wurden meine gefesselten Arme straff in die Höhe gezogen, so dass sich mein ganzer Körper streckte, und ich nur noch auf den Zehenspitzen stehen konnte. Erschrocken verstummte ich.  
    Wieder traf ein brennender Gertenhieb meinen Rücken. „Bete weiter!“  
    Murmelnd setzte ich meine Litanei fort. „Mea culpa, mea maxima culpa. Ideo precor omnes Sanctos…“  
    Pacos Stimme erhob sich und ließ mich erneut verstummen.  
    „Nikola Č erve ň ákowi  
     wird seine Strafe hier, an diesem Baum gebunden, bis zum nächsten Mittag büßen. Der helle Tag wird ihn von seiner Qual und seiner Sünde befreien. Er wird die ganze Zeit über beten und Gott um Verzeihung bitten. Und wenn Gott will, wird er als geläuterter Mann wieder auferstehen.“  
    Ein erneuter Hieb ließ mich meinen Singsang wieder aufnehmen.  
    „Jeder, der ihm hilft, macht sich strafbar. Das Urteil ist hiermit gesprochen.“  
    Während ich weiterbetete, hörte ich, wie sich Schritte entfernten. Viele Schritte. Es mussten mehr Menschen anwesend gewesen sein, als ich zuerst angenommen hatte. Wahrscheinlich das gesamte Dorf. Durch die Augenbinde konnte ich das jedoch nur vermuten.  
    „Halte durch, Nikolito, ich werde für dich beten“, hörte ich meine Großmutter von weitem rufen. Doch auch ihre Stimme entfernte sich und allmählich wurde es still um mich.  
    Noch immer flüsterte ich das Gebet, wie ein immer wiederkehrendes Mantra: „Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.“  
    Ich traute mich nicht zu verstummen. Vielleicht stand noch jemand in meiner Nähe und wartete nur darauf, dass ich mir einen neuen Schlag mit der Gerte einhandelte.  
    Nach einiger Zeit begannen die Muskeln meiner erhobenen Armen zu zittern. Da ich mein gesamtes Körpergewicht nur auf den Zehen balancieren konnte, zitterten auch meine Beine. Schweißperlen traten auf meine Stirn. Sie liefen über meine Schläfe und sickerten in die Augenbinde.  
    Ich verlagerte mein Gewicht und hängte mich in das Seil, das um meine Handgelenke geschlungen war. Das entlastete zwar meine Beine, zog dafür aber schmerzhaft an meinen Schultermuskeln. Alle paar Minuten wechselte ich die Position, da ich keine für längere Zeit auszuhalten glaubte. Sobald die Muskeln in meinen Beinen zu zittern begannen, ließ ich mich hängen. Wenn ich das Gefühl hatte, dass meine Arme gleich aus den Schultergelenken gerissen wurden, veränderte ich die Stellung erneut. Die ganze Zeit über flüsterte ich das Gebet weiter, nicht aus Überzeugung, auch nicht aus Angst, dass mich noch jemand überwachen könnte. Nein, der monotone Singsang half mir, die Schmerzen zu ertragen. Am liebsten hätte ich aus voller Lunge geschrien. Was wollt ihr von mir? Lasst mich herunter. Ich kann doch nichts dafür! Doch ich wusste, dass dies alles nur noch schlimmer machen würde. Mir blieb nichts anderes übrig, als auszuharren und zu beten.  
    Der Wind strich durch den Baum über mir und ab und zu gab das Feuer ein Knacken von sich. Jegliches Zeitgefühl kam mir abhanden.  
    Irgendwann, meine Arme waren von der aufrechten Haltung schon taub, näherten sich mir Schritte. Obwohl ich auf ein Zeichen lauschte, um wen es sich handeln konnte, betete ich laut weiter.  
    „Und du glaubst wirklich, dass du dich durch Beten ändern wirst?“  
    Meine Augenbinde wurde nach oben geschoben, und nach einigem Zwinkern, bei dem sich meine Augen an den flackernden Feuerschein gewöhnten, erkannte ich Saras Gesicht.  
    Ich unterbrach mein Mantra. „Du hast es so gewollt“, antwortete ich. „Wenn du unsere Verlobung gelöst hättest, stände ich nicht hier.“  
    „Denkst du das wirklich? Wenn ich unsere Verlobung gelöst hätte, ständest du genauso hier. Dir würde nur das Nächste erspart bleiben.“  
    Ich wusste nicht, was sie meinte.  
    Sara lächelte gehässig, als sie meine Unsicherheit bemerkte.  
    „Sie werden kommen und dich zu einem normalen Mann erziehen. Sie werden dir diese Abartigkeiten austreiben. Glaubst du, ich würde dich sonst noch wollen? Nicht mehr lange, dann ist es so

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