Erwarte mich in Paris (German Edition)
verdient“, platzte ich heraus.
Mit aufgerissenen Augen sah sie mich an und schlug mir dann scherzhaft auf den Arm. „Das war mir doch vorhin nur so rausgerutscht, Nikola. Bitte schmier mir das jetzt nicht wieder aufs Brot.“ Die unangenehme Stille, die ihr Geständnis zwischen uns geschaffen hatte, war beseitigt und wir lachten wieder aus vollem Herzen.
„Und?“
Tom unterbrach meine Erinnerungen so abrupt, dass ich beinah einen Teller fallen gelassen hätte. „Hast du wenigstens ein bisschen Geld verdient? Wäre nämlich schön, wenn du dich an den laufenden Kosten beteiligen würdest.“
Wortlos holte ich die Brieftasche hervor, die ich gestern erbeutet hatte und legte ihm die Hälfte des Inhaltes auf den Tisch. „Mehr kann ich dir gerade nicht geben. Aber keine Sorge, ich bleibe dir nichts schuldig.“
„Uhhh, soll ich schon mal nach williger Kundschaft Ausschau halten?“, zog er mich erneut auf und grinste provokant. Obwohl ich seine Art mittlerweile gewöhnt war, spürte ich jedes Mal Wut in mir aufsteigen. Doch wie immer, schluckte ich sie herunter. Irgendwann würde ich wohl ein Magengeschwür davon bekommen.
Nachdem Tom gefrühstückt hatte, stand er auf. Im Weggehen sagte er: „Ich brauch dich übrigens am Samstag 18 Uhr bei der Show. Bei Alain herrscht immer Chaos. Du musst mir beim Ankleiden helfen. Das letzte Mal bin ich fast mit offenem Hosenstall raus. Na das wär’ ein Spaß geworden.“
Bevor ich etwas entgegnen konnte, war er schon auf dem Flur, und die Wohnungstür fiel ins Schloss.
Bis Samstag bekam ich Tom immer nur kurz zu Gesicht, sodass ich ihm nicht mitteilen konnte, dass wir ab jetzt Kollegen sein würden.
Mit weichen Knien ging ich am Nachmittag zum Hotel, in dem die Modenshow stattfinden würde. Im Saal wurden gerade die letzten Stuhlreihen aufgestellt. Der weiß bezogene Laufsteg in der Mitte, erschien mir unendlich lang.
„Da bist du ja, Nikola“, empfing mich Christin. „Komm, ich zeig dir alles, dann musst du schon mit nach vorn. Jerome zeigt euch nachher die Choreo - das, was du auf dem Catwalk zu tun hast“, ergänzte sie und lief schon Richtung Vorhang.
Dahinter herrschte Ausnahmezustand. Unmengen von Menschen liefen hin und her und riefen sich Dinge zu.
„Hier setzt du dich nachher hin, für Haare und Make-up“, sie wies auf eine lange Reihe von Stühlen, die vor schmalen Spiegeln standen. „Und hier hängt dein Anzug, den du als erstes trägst und deine Bademode. Die kommt zum Schluss. Alain sagt, das wird eine Überraschung für das Publikum werden, da dies sein erster Ausflug in die Bademode wird. Er hat da noch etwas Besonderes vor. Verraten will er aber noch nichts. Wir werden es aber rechtzeitig erfahren, hat er versprochen. Irgendjemand muss noch etwas besorgen, ohne das es nicht funktioniert. Ich hoffe, es wird rechtzeitig eintreffen, sonst bekommt er wieder einen seiner berüchtigten Anfälle.“ Sie verfiel wieder in ihren üblichen Redeschwall, der immer einsetzte, wenn sie nervös oder gestresst war. „So, ich muss jetzt weiter. Alain ist ohne seinen extra starken Café au Lait verloren. Und wer muss ihn besorgen? Natürlich ich, seine unentbehrliche, persönliche Assistentin. Na dann, viel Glück. Bis nachher.“ Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und verschwand zwischen den vielen Menschen.
„Was machst du denn hier? Du bist zu früh!“ Tom kam auf mich zu und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Und wie siehst du schon wieder aus? Bist du aus dem Bett gefallen?“ Er wies auf mein störrisches Haar, das heute wie wild nach allen Richtungen abstand.
„Tom, ich wollte dir schon die ganze Zeit sagen … dass … dass sie mich auch gebucht haben“, beendete ich schnell den Satz.
„Was sagst du?“ Er starrte mich fassungslos an. „Das kann doch nur ein Versehen sein. Schau dich um, Nik!“, er zeigte auf die ersten jungen Männer, die vor den Spiegeln Platz genommen hatten und ihr Make-up verpasst bekamen. Genau wie Tom waren sie ausnahmslos blond.
„Fällt dir was auf, Nik?“
Unsicherheit breitete sich in mir aus. Tom schaffte es immer wieder dieses Gefühl des Andersseins und Außenseiters in mir zu schüren.
„Alle Models auf den Laufsteg. Choreo“, rief jemand.
Tom drehte sich um. „Ich muss jetzt los. Aber du“, er stieß mir seinen Zeigefinger fast ins Gesicht, „überlegst dir noch mal, was du missverstanden haben könntest. Aber bleib ja da, ich
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