Erwarte mich in Paris (German Edition)
momentan ja eh nicht, was ich überhaupt wollte. Vielleicht brauchte ich jemanden, der es mir zeigte?
Der Junge baute sich provokant vor mir auf. Die Tätowierungen auf seiner Haut schienen sich zu bewegen.
„Einen Wunsch frei, he? Na, das klingt doch mal richtig gut.“ Um seinen Mund spielte ein Grinsen.
„Thoma, hast du mit dem da etwa heute noch was vor?“, fragte jemand.
„Ja, klar. Oder hast du was dagegen, Gaspard?“ Neben dem tätowierten Jungen tauchte ein alter Bekannter von mir auf. Er funkelte mich mit wütenden Augen an.
„Wenn du dich mit dem einlässt, riskierst du eine gebrochene Nase, wenn nicht sogar Schlimmeres. Weißt du denn nicht, wer das ist?“ Gaspard trat zwischen uns und baute sich vor mir auf.
„Natürlich weiß ich, wer das ist. Lass mich nur machen“, flüsterte der Junge ihm ins Ohr. Ich las die Worte mehr von seinen Lippen, als dass ich sie hören konnte.
„Vergiss ihn, Thoma. Der Typ ist verrückt. Egal wie viel Geld er dir später gibt, es lohnt sich nicht. Halt dich lieber fern.“ Gaspard warf mir einen angeekelten Blick zu und drehte sich um. Sein langes Haar fiel ihm über den Rücken, und erinnerte mich schmerzhaft an jemanden anders.
„Mach dir nichts draus. Gaspard ist momentan etwas …“, mit dem Zeigefinger machte Thoma eine kreisende Bewegung neben seiner Schläfe. „Warte hier. Ich hol nur schnell was.“ Er lief Gaspard hinterher und redete auf ihn ein.
Ich jedoch ging zur Garderobe, holte meine Sachen und machte, dass ich weg kam. Ich brauchte keine Freunde, die mich nur wegen meiner Bekanntheit oder meines Geldes mochten. Auch wollte ich den hasserfüllten Blick, den Gaspard mir zugeworfen hatte, nie wieder sehen müssen. Vielleicht hatte ich ihn ja verdient. Dennoch musste man schon sehr masochistisch veranlagt sein, um sich dem weiter freiwillig auszusetzen.
Ich lief in der Dunkelheit die Seinepromenade entlang. Die Laternen spiegelten sich im Wasser und zogen mich magisch an. Ich trat näher. Schwarz und still lag der Fluss vor mir und schien mich zu rufen. Noch einen Schritt und die Spitzen meiner Schuhe ragten über den Rand der Steine heraus. Nur noch einen Schritt weiter, und ich hätte endlich eine Entscheidung gefällt. Vielleicht war ja das meine Lösung. Einfach versinken, ohne Gedanken - ohne zu kämpfen – aufgeben – Frieden finden.
„Ich würde das nicht tun.“ Eine tiefe Stimme erklang hinter mir.
„Alain?“ Fassungslos drehte ich mich um und geriet augenblicklich ins Taumeln. Eine starke Hand griff nach meinem Hemd und bewahrte mich davor zu fallen.
„Nein, nicht Alain. Nur jemand, der scheinbar zur rechten Zeit am rechten Ort ist.“
Der Mann, zu dem die Stimme gehörte, ließ mich los, blieb jedoch dicht bei mir stehen. Die Nacht verschluckte die Züge seines Gesichtes, so dass er jeder oder auch niemand sein konnte.
„Ich hatte nicht vor, zu springen“, antwortete ich.
„Nein? Umso besser. Alain hätte es nicht gewollt.“
„Sie kannten Alain?“ Ich wusste nicht, warum ich diese dumme Frage stellte, doch sie kam mir einfach über die Lippen.
„Niemand würde wollen, dass ein junger Mensch sein Leben einfach so wegwirft.“
„Aber ich wollte doch gar nicht …“
„Jeder hat eine Aufgabe in seinem Leben. Bevor er diese nicht wenigstens zu erfüllen versucht hat, sollte er nicht das Recht haben, diese Welt zu verlassen.“
Obwohl der Mann behauptet hatte, jemand anders zu sein, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Alain zu mir sprach. Die Stimme, die Silhouette … und dann wehte mir der Wind den Geruch seines Aftershaves entgegen. Gequält stöhnte ich auf.
„Warum?“, presste ich hervor. Dieses eine Wort beinhaltete so viele Fragen. Doch der Mann entschied sich für eine Antwort, die mich wie eine Faust in den Magen traf.
„Weil dich jemand braucht. Geh und hilf dem Menschen, für den du die Welt bedeutest.“
„Aber du warst für mich die Welt, Alain.“ Ich fühlte mich wie in einem Traum.
Der Mond tauchte zwischen den Wolken hervor und bestrahlte alles mit einem seltsam silbernen Licht. Im Hintergrund pulsierten die LEDs des Eifelturms, als wäre er ein lebendiges Wesen und würde, sobald er aus seiner Starre erwachte, die Reise auf seinen vier gespreizten Beinen fortsetzen.
„Nein“, flüsterte der Mann. „Ich habe dich nur auf einem kleinen Teil deines Weges begleitet.“
Dass er
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