Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)
den kleinen Halbbrüdern gerächt. Dieneue Frau, er nennt sie Maria, sei das »Idealbild einer Stiefmutter« gewesen. Der Vater habe während der Woche als Redakteur in Senftenberg gearbeitet. In dieser Zeit habe Maria alle »Untaten« der Jungen notiert und die Liste am Wochenende dem Ehemann präsentiert, damit er sie bestrafte. Sein Vater habe sehr hart gestraft, sagt Knut.
Als Erwin Strittmatter dann 1952 auch seine zweite Familie endgültig verließ und nach Berlin zog, habe er alle vier Söhne bei Maria gelassen. Nicht lange danach sei sie Mitarbeiterin bei der SED-Kreisleitung in Cottbus geworden und habe die Jungen ins Kinderheim gegeben. Das heißt, seinen älteren Bruder Ulf nicht. Der hatte zu dieser Zeit schon die Schule beendet und begann eine Lehre als Geflügelzüchter im Volksgut Markee bei Nauen. Weil er sich dort aber nicht wohl fühlte, habe er Kontakt zu seiner Mutter aufgenommen, die ihn überredete, zu ihr zu kommen. Ein Zuhause besaß er ja nicht mehr, und so sei Ulf 1954 nach Duisburg gezogen, wo Waltraud Lemcke mit ihrem zweiten Ehemann lebte. In den Strittmatter’schen Kaderunterlagen wurde Ulf seitdem als »republikflüchtig« vermerkt.
Knut sagt, er habe zweieinhalb Jahre im Heim bleiben müssen. 1953 habe er dort die 8. Klasse abgeschlossen. Sein Vater lebte inzwischen mit seiner neuen Frau Eva in einer Wohnung in der Stalinallee. Dort sei für ihn zunächst kein Platz gewesen, denn da waren schon wieder zwei neue kleine Brüder. Eva hatte den Sohn Ilja mit in die Beziehung gebracht, und 1953 war ihr gemeinsamer Sohn Erwin geboren worden. Erst als Erwin Strittmatter 1954 das Haus in Schulzenhof kaufte, wurde Knut erneut ein Teil der Familie. Er sei dann in Rheinsberg zur Oberschule gegangen, habe ab 1955 im Internat gewohnt und sei an den Wochenenden und in den Ferien in Schulzenhof gewesen.
An diese Jahre hat Knut Strittmatter zwiespältige Erinnerungen. Es sei wunderbar gewesen, mit dem Vater durch den Wald zu reiten, seinen Erklärungen zuzuhören. Gemeinsam hätten sie die Pferde versorgt und Tauben gezüchtet. Tauben züchtet er übrigens heute wieder, allerdings nicht in seiner Leipziger Wohnung, sondern im Haus seiner Lebensgefährtin in Karsdorf bei Freyburg an der Unstrut. In Schulzenhof habe er die Gelegenheit gehabt, interessanten Gesprächen zuzuhören, wenn Hermann Kant, Benno Besson oder Gerhard Holtz-Baumert zu Besuch kamen. Doch das Leben dort unterlag völlig dem Arbeitsrhythmus von Erwin Strittmatter. Der habe Störungen selten toleriert. Knut durfte keine Freunde einladen. In Konflikten habe Eva immer »dolmetschen« müssen. Sie sei damals für ihn »wie eine große Schwester« gewesen.
Knut Strittmatters Weg zum Schafzuchtforscher verlief nicht geradlinig. Nach dem Abitur habe er sich zunächst freiwillig zur Armee gemeldet. Sein Vater, der sich damals als Pazifist verstand, sei damit gar nicht einverstanden gewesen. Weil seine Mutter und sein Bruder im Westen lebten, sei er jedoch nicht genommen worden. Stattdessen begann er eine Lehre als Facharbeiter für Acker- und Pflanzenbau im Volkseigenen Gut Wentow, Kreis Gransee. Danach ging er zum Studium der Landwirtschaft nach Berlin. Doch nach drei Semestern war damit Schluss. Knut Strittmatter bestand die Chemieprüfung nicht. Außerdem war er im Anschluss an einen der damals üblichen studentischen Agitationseinsätze in Westberlin noch ins Kino gegangen, das hatte jemand beobachtet und gemeldet.
Er musste die Universität verlassen. Zunächst absolvierte er eine Ausbildung als Schäfer, später beendete er sein Studium als Diplomlandwirt im Fernstudium und arbeitete viele Jahre auf einem Volksgut bei Brandenburg. Neben der Arbeit als Bereichsleiter Schafzucht und stellvertretender Direktor des VEB Tierzucht Rostock promovierte er. Das habe sich etwa zehn Jahre lang hingezogen.
Nach Schulzenhof sei er nur noch selten zu Besuch gekommen. Die Beziehung zu seinem Vater stieß immer wieder an Grenzen. Vor allem nachdem er eine eigene Familie gegründet hatte, sagt er, habe er häufig das Gefühl gehabt, dass für ihn kein Platz mehr sei, dass der Vater keine Toleranz für Schwiegertochter und Enkelkinder aufbringen konnte.
Mit Ulf dagegen hat Knut Strittmatter immer Kontakt gehalten, auch als er schon in Leipzig an der Universität war und seine Karriere deswegen hätte Schaden nehmen können. Sein Bruder habe im Westen den Beruf gewechselt und sei in die Versicherungsbranche gegangen, später selbständiger
Weitere Kostenlose Bücher