Erzaehl es niemandem
Erztransporte ins Deutsche Reich stehen aber
nach wie vor auf der Tagesordnung der Engländer. Am 28. März beschließt der
Oberste Alliierte Kriegsrat in London, von nun an auch die neutralen
Hoheitsgewässer Norwegens zu verminen, um »den Transport von schwedischem
Eisenerz nach Deutschland zu stören«. Die Briten sind sich bewusst, dass dies
eine Verletzung der Neutralität Norwegens bedeutet. Aber Winston Churchill,
1940 noch Marineminister, liefert bereits am 19. Dezember 1939 in einer
Denkschrift die moralische Grundlage für ein solches Eingreifen:
Im Namen des Völkerrechts, als tatsächlicher
Vertreter der Prinzipien des Völkerbundes haben wir das Recht, ja die Pflicht,
vorübergehend die Gültigkeit gerade der Gesetze aufzuheben, denen wir wieder
Geltung und Sicherheit verschaffen wollen. Die kleinen Nationen dürfen uns
nicht die Hände binden, wenn wir für ihre Rechte und ihre Freiheit kämpfen. 3
Churchills Position ist allerdings auch im englischen
Kabinett umstritten und zeigt das Dilemma, in dem sich die Alliierten befinden.
Das kommt vor allem in einem Schreiben des Foreign Office von Anfang 1940 zum
Ausdruck, in dem der norwegischen Regierung mitgeteilt wird,
daß es in der Politik Situationen gebe, in
denen das geltende Recht und die Forderungen der allgemeinen Moral nicht mehr
übereinstimmten … Die Norweger sollten doch verstehen, daß ein deutscher Sieg
das Ende der norwegischen Selbständigkeit bedeute und das Ende jeder nach den
Regeln des Völkerrechts geführten Politik. 4
Der norwegische Außenminister Halvdan Koht erklärt daraufhin
im Osloer Kabinett: »Wir sollten uns
nicht so einstellen, dass wir auf der falschen Seite in den Krieg hineingeraten,
wenn wir es nicht vermeiden können, hineingezogen zu werden.« 5
Am 8. April 1940 erfährt die norwegische Regierung, dass englische
Zerstörer innerhalb ihrer Hoheitsgewässer südwestlich von Narvik im Rahmen der
»Operation Wilfred« tatsächlich Minen legen. Das bringt sie in eine schwierige
Situation, denn die Norweger wollen ihr Land unter allen Umständen neutral
halten. Man verfasst eine Protestnote gegen die britische Minenlegung und hat
gleichzeitig die Sorge, dass sich die Deutschen durch die britische Aktion
provoziert fühlen. Es ist eine brisante Lage, aber dennoch soll die norwegische
Armee noch nicht mobilisiert werden.
In Harstad ist die 6. norwegische Division stationiert. Als ihr
Kommandeur, Generalmajor Carl Gustav Fleischer, gegen Mittag von seiner
Regierung durch ein Telegramm über die Vorgänge an diesem 8. April informiert
wird, ordnet er sofort, ohne auf einen expliziten Befehl aus Oslo zu warten,
die Mobilmachung aller in Nordnorwegen stationierten Truppen an. General
Fleischer ist 1940, so der Historiker Dirk Levsen, »ohne Zweifel der
fähigste aller kommandierenden norwegischen Generäle.« 6
Kurz vor Mitternacht bekommt der norwegische Admiralstab davon
Kenntnis, dass Schiffe unbekannter Nationalität in den Oslo-Fjord eindringen.
Zuvor war schon die Meldung eingegangen, dass deutsche Kriegsschiffe Richtung
Narvik unterwegs sind.
Premierminister Johan Nygårdsvold ruft daraufhin wieder die
Regierung zusammen. Die Minister müssen erfahren, dass deutsche Truppen in
Bergen, Trondheim, Narvik und in anderen Hafenstädten an Land gegangen sind.
Um 5.20 Uhr übergibt der deutsche Gesandte Kurt Bräuer dem
norwegischen Außenminister Halvdan Koht ein Memorandum, das die norwegische
Regierung über die vermeintlichen deutschen Pläne in Kenntnis setzt. Man komme
nicht in »feindlicher Absicht«, sondern wolle verhindern, dass England Norwegen
zu einem Kriegsschauplatz mache.
Ich zwang mich dazu, kein Wort zu sagen,
während er sprach und ich das Ultimatum durchging. Ich redete mir zu: Du darfst
dir keinen Schrecken einjagen lassen. Ich begriff von all dem, was ich hörte
und las: Dass die Deutschen die Macht in Norwegen haben wollten. Dass Hitler
versprach, wir würden nach dem Kriege unsere Selbständigkeit wieder erhalten,
konnte keine Wirkung auf mich haben; ich wusste allzu gut, wie viel seine
Versprechungen wert waren. Mit einem Nazi-Regime in Verbindung zu stehen, das
würde für ein demokratisches Norwegen ganz und gar undenkbar und unmöglich
sein. 7
Während Bräuer auf eine Antwort wartet, geht Koth in sein Arbeitszimmer,
um die dort versammelte Regierung zu informieren. Dann kommt er zurück und
sagt: »Wir wollen unsere Selbständigkeit wahren.« Auf den
Weitere Kostenlose Bücher