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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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Vorstellungen hätte tun können, sie rannte die Treppe hinunter, um die beiden unter einem Vorwand aufzuhalten. Sie hätte alles getan, damit dieser Junge nicht für immer aus ihrem Leben spazierte. Ich hing über dem Geländer, um zuzusehen was passierte. Xanda würde sagen, beobachte und lerne.
    »Arbeitest du an dem Hanson-Projekt?«, fragte sie meinen Dad. Das Hanson-Haus lag auf der anderen Seite des Hügels, dort, wo man eine tolle Aussicht hatte. Trey Hanson war eine Klasse über mir und bekannt dafür, kleine Tiere und mich zu quälen. Letzten Sommer hatte Xanda ihm Prügel angedroht, wenn er mich nicht in Ruhe lassen würde. Er hat mich nie wieder belästigt.
    »Ja«, sagte Dad. »Heute bauen wir das Hartholz ein. Wollt ihr zwei helfen? Ich glaube, ich habe hier irgendwo noch einen Holzhammer.«
    »Ähm, nein danke, ich war nur neugierig. Wie lange werdet ihr zu tun haben?«
    »Ich bin zum Essen wieder zu Hause. Kannst du Pizza oder so bestellen, bevor deine Mom nach Hause kommt? Oder«, sagte er jetzt zu mir, »Mandy könnte wieder für uns kochen. Die Spaghetti von gestern waren richtig gut.« Ich wurde ganz rot bei diesem Kompliment. Vielleicht würde ich eines Tages auch für Andre Spaghetti kochen.
    Dann gingen sie. Ich machte mich wieder an meine Hausaufgaben und Xanda verschwand in ihrem Zimmer. Sie schloss die Tür ab, aber durch den Geheimgang konnte ich sie ihr Lieblingslied von Splashdown singen hören.
    Später am Abend, nach Sonnenuntergang, blickte ich aus meinem Fenster und sah Xanda in einem fließenden, roten Trägerkleidchen und mit wehenden Haaren durch die Dunkelheit huschen. Sie war auf dem Weg, um sich mit ihrer Verabredung – und vielleicht mit ihrem Schicksal – zu treffen.
    Jede darauffolgende Nacht schlich sie sich aus dem Haus, um sich mit Andre am Ende der Straße zu treffen. In dieser Zeit lernte ich, den Motor seines grünen Impalas zu erkennen. Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger. Mom vergrub sich immer tiefer in ihrer Weihnachtsaufführung und Dad in seiner Arbeit. Das Einzige, was blieb, waren ich und mein Versuch, alle zusammenzuhalten.
    ***
    Als ich unsere Straße hinauffuhr, brannte noch Licht im Arbeitszimmer. Vielleicht Mom, die noch spät arbeitete, oder Dad, der über seiner Buchhaltung saß. Die Gitterstäbe am Fenster waren ein Überbleibsel aus der Zeit, als es noch Xandas Zimmer war. Im Tageslicht wirkten sie fast unauffällig mit ihrer weißen Lackierung. Im Dunkeln allerdings sah das Fenster aus wie ein Auge mit langen steifen Wimpern. Als sie die Gitter einbauten, war es sowieso schon zu spät gewesen.
    Es war komisch, das Haus so zu sehen, wie Xanda es so oft gesehen hatte, gerade in dieser Nacht, in der mein Leben auch ihres hätte sein können.
    Nik würde sagen, du musst in die Schuhe eines anderen schlüpfen, um zu wissen, auf welchem Weg er wandert . Meine Mutter wollte immer, dass mein Weg gerade verläuft. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich den Windungen von Xandas Leben folgen würde.
    Wenn ich wirklich Xandas Weg hätte gehen wollen, dann hätte ich mich jetzt, um ins Haus zu kommen, über den Ahornbaum am Spalier hochhangeln müssen. Aber ich bezweifelte, dass es mein Gewicht noch aushalten würde. Lexi war heute Abend schon genug Gefahren ausgesetzt gewesen, also beschloss ich, die Vordertür zu nehmen.
    Ich wollte gerade in mein Zimmer schlüpfen, als plötzlich Licht in den Flur fiel. Es war Mom, im Nachthemd und mit offenen Haaren.
    »Hallo, Liebes«, sagte sie gähnend. Der Schlaf hatte die übliche Härte in ihrer Stimme gemildert.
    »Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich weg war.« Ich hatte keine Ausrede vorbereitet. Auch im Nachthemd konnte meine Mutter jederzeit explodieren.
    Aber das tat sie nicht. In dem Lichtschein, der aus Xandas altem Zimmer kam, sah meine Mutter beinahe verletzlich aus. Wie jemand, dem ich vertrauen könnte.
    »Nein, tu ich nicht«, seufzte sie. Ich war kurz davor, meine Deckung aufzugeben. Ich wollte ihr alles erzählen und sie fragen, was wirklich mit Xanda passiert war. Aber dann fing sie an zu reden.
    »Ich habe das alles schon mit deiner Schwester durchgemacht, und jetzt mache ich es mit dir durch.« Ihre Augen wurden hart wie Stahl. »Um ehrlich zu sein, ich ziehe es diesmal vor, es lieber nicht wissen zu wollen.«
    Sie ließ mich sprachlos stehen. Allein mit meinen Erinnerungen an die Party, Andre und noch einer Sackgasse.

21
    Während meine Schwangerschaft nur eine kleine

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