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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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fünfhundert Gramm wog, war er das Schönste, was ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Wir gaben ihm den Namen Micah James. Ich werde niemals seine kleinen Finger und Zehen vergessen oder wie er in der Handfläche meines Mannes lag. Ich habe meinen Mann noch niemals so weinen sehen, wie um unseren kleinen Jungen.
    Unsere Herzen sind gebrochen. Die Zeit wird auch diese Wunde heilen. Ich werde keine Einträge mehr auf diese Seite posten. Es ist zu schmerzhaft für mich, eure Einträge über eure Schwangerschaften zu lesen, jetzt, da wir unseren größten Schatz verloren haben. Ihr bleibt in meinem Herzen und ich wünsche euch alles Glück dieser Welt.
    Zeit. Die Zukunft. Ein Leben ohne Micah James.
    Meine eigene Krise war plötzlich so unwichtig geworden.
    Als ich in dieser Nacht im Bett lag, gingen mir Bilder von Lexi durch den Kopf, wie ein Fenster in eine andere Welt. Ich versuchte, das Wunder ihres Gesichts wieder vor Augen zu haben, das kleine Kinn, die Stupsnase, der runde Kopf mit den beiden Gehirnhälften. Zehn Finger, zehn Zehen, eine gebogene Wirbelsäule voller winziger Knochen. Alles klein genug, um in meine Handfläche zu passen.
    Ich lag auf dem Rücken, wie es mir meine Ärztin gesagt hatte, und wartete auf ein Flattern.
    Ich war schon beinahe eingeschlafen, als ich so was wie ein Blubbern fühlte. Ein Glucksen. Ich fragte mich, ob es Blähungen sein könnten. Ich legte meine Hand auf den Bauch, an der Stelle, an der ich es gefühlt hatte und wartete.
    Es blubberte wieder, ein Stich des Wiedererkennens.
    Neunzehn Wochen nachdem wir zu dieser gemeinsamen Reise aufgebrochen waren, kommunizierten Lexi und ich zum ersten Mal miteinander – wie mit einem geheimen Morsealphabet.

22
    Meine Eltern verschwendeten keine Zeit und schickten mich auf den glorreichen Pfad meiner Bankkarriere. Ich musste für meinen bequemen Job in der First Washington Credit Union Bank nicht mal die üblichen Bewerbungsformulare ausfüllen oder zu einem Bewerbungsgespräch antreten. Alles, was ich im Keller des Sekretariats zu tun hatte, war Schecks zu bearbeiten und abzulegen oder ab und zu mal für eine Kassiererin einzuspringen.
    Mit Sicherheit hofften sie, dass ich den Job dort so schrecklich fände, dass ich selbst beim Jugendamt anrufen würde. Vielleicht hätte ich das auch getan, wenn ich nicht gerade die schreckliche Geschichte von Nik gelesen und außerdem noch Lexi zum ersten Mal gespürt hätte. Ich hatte nicht die Absicht, Lexi oder meinen Traum zu verlieren. Geld gehört auf die Bank, wie Dad sagen würde. Lexi und ich würden es sicher brauchen.
    Ich war früher schon mehrmals in dieser Bank gewesen, aber es ist komisch, was einem so alles auffällt, wenn die Zellentür hinter einem zugeschlagen und abgeschlossen wird. Zum Beispiel der Teppich, der sich in der Mitte schon auflöste oder der leicht schiefe Tresen in der Kreditabteilung. Oder die Kreditsachbearbeiterin mit den dicken Rastalocken, die meine Mutter und mich mit finsterem Blick anstarrte, als wir zur Tür hereinkamen. Sie quetschte sich langsam hinter ihrem Schreibtisch hervor und eilte uns entgegen. Sie blickte zu einer der Kassiererinnen hinüber, die sofort ihren Platz in der Kreditabteilung einnahm. Wie in einem emsigen Ameisenhaufen ordneten sich die anderen Kassiererinnen sofort neu um und schlossen die Lücke.
    Ich bemühte mich, meine neue Bluse ordentlich in die Hose zu stecken.
    Wie immer hatte ich gestern meinen Kleiderschrank bestimmt fünfzigmal durchforstet. Verzweifelt und den Tränen nahe kroch ich in die Tiefen des Geheimganges, um in den Kartons mit Xandas Sachen nach etwas Passendem zu suchen. Ein Babydoll-Shirt? Poncho? Egal was. Als meine Mom plötzlich im Arbeitszimmer auftauchte, rannte ich sie fast über den Haufen. Sie sah mein rotes verschwitztes Gesicht.
    »Was ist hier los?«
    Nimm doch irgendwas , dachte ich. Stattdessen schniefte ich: »Nichts.« Wir veranstalteten ein kleines Kräftemessen im Flur. Sie versuchte, mich zu überführen und ich versuchte, ihr zu entkommen.
    »Ich hab was gesucht … Zwischengang.«
    »Warum wühlst du in Xandas Sachen rum?« Sie inspizierte mich genau, meine geröteten Augen, die abstehenden Haare, meine zu weit unten hängende Hose und den Pullover, der gerade so über meinen neuerdings sehr weit vorstehenden und extrem empfindlichen Bauchnabel reichte. Ihr schien zu dämmern, was los war.
    »Ah, ja. Nun, ich denke, dann müssen wir wohl einkaufen gehen.«
    Sie lächelte, als wenn das ein

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