Erzaehl mir ein Geheimnis
Welle im Ökosystem der Elna-Mead-Highschool geschlagen hatte, bewirkte Dylans Party eine Riesenwelle. Plötzlich war ich wie die Solodarstellerin von Girls Gone Wild. Zuerst meine Schwangerschaft, dann mein schändlicher Versuch, Kamran reinzulegen, gefolgt von meinem brutalen Verhalten Chloe gegenüber, die mit ihrem einen Meter sechsundfünfzig ganze fünfzehn Zentimeter kleiner war als ich und meinem Gewaltausbruch in keinster Weise gewachsen.
Als ich am nächsten Morgen eine E-Mail von Chloe im Postfach hatte, die sie direkt vor der Party geschickt hatte, ging es mir noch mieser. »Es ist Freundschaftswoche und ich bin froh, dass du meine Freundin bist!«, hatte sie geschrieben.
Ty Belkin rempelte mich im Gang an und entschuldigte sich lautstark: »Ups. Sorry, Rand. Ich dachte, du bist Chloe.« Es dauerte nicht lange, und alle rempelten mich mit dem gleichen Spruch an. Nur die Neuntklässler nicht, die machten einen großen Bogen um mich und gaben sich damit zufrieden zu tuscheln. Ich hab gehört, sie ist voll psycho und Ich hab gehört, ihre Schwester war auch so .
Delaney war ganz in ihrem Element und gab den Skandal vor einer neuen Horde von Schülern zum Besten: »Ich wusste wirklich nicht, dass sie so drauf ist. Aber ich hätte es wissen müssen, sogar ihre beste Freundin Essence redet nicht mehr mit ihr. Hey, klar tut sie mir leid, wegen dem Tod ihrer Schwester und so. Aber trotzdem.«
Chloe war bei ihr und sonnte sich in einer Lawine aus Mitgefühl. Kamran sah gequält aus. Meine Existenz war für ihn mittlerweile ein Störfaktor in seinem musterhaften Leben.
Durch den Vorfall stieg sogar Essence’ Ansehen bei den Schülern. Sie war nicht länger Fräulein Oma-BH, sie war jetzt Das-Opfer-mit-dem-Insiderwissen. Leute, die Essence früher nicht mal wahrgenommen hatten, standen jetzt bei ihr Schlange, um die Geschichte zu hören. Wenn ich an ihr vorbeilief, versuchte sie meine Aufmerksamkeit zu erhaschen – um es mir so richtig unter die Nase zu reiben oder um mir ihr Mitleid anzubieten? Ich hatte beides nicht nötig.
Mit Pommes und Milchshakes bestach ich Mrs Crooker, damit sie mir Entschuldigungen für meine anderen Kurse schrieb – unter dem Vorwand, meine Kunstmappe fertigstellen zu wollen. Ich musste zwar immer noch Stunde um Stunde die Schüler im Kunstunterricht ertragen, aber wenigstens beschäftigte Mrs Crooker die Schüler ausreichend, sodass sie mich in Ruhe ließen. Vielleicht hatte sie gehört, was passiert war. Vielleicht tat ich ihr leid. Vielleicht erinnerte sie sich an meine Schwester und hoffte, ich würde nicht so enden wie sie.
Daher hätte das Ultimatum meiner Eltern ein Segen sein können, wäre es nicht mit einem Fluch behaftet gewesen.
Seit mich meine Mom nach der Halloweenparty erwischt hatte, wartete ich darauf, dass die Bombe explodieren würde. Gitter vor meinem Fenster, lebenslanger Hausarrest, das Ende jeglicher Kommunikationsmöglichkeiten … Alles wäre besser gewesen, als zur ersten Probe des Weihnachtsstücks zu gehen und Essence dabei zu beobachten, wie sie lachend mit ihrer Theatertruppe eintraf, um dann, sobald sie mich sah, ernst zu werden. Ihr Text wiederholte sich in meinem Kopf, als wäre es meiner. Nur dass sie die gute Tochter spielte und meine Mom die ganze Zeit wohlwollend nickte.
Als ich nach Hause kam, konnte ich mich wenigstens in meinem Zimmer vergraben, um an meinen Zeichnungen zu arbeiten. Ich hatte das gestohlene Foto von Xanda in meine Mappe gelegt, zwischen die Zeichnungen der Labyrinthe, um es als Vorlage für meine Porträts zu benutzen. Es war ein Fenster. Ein Hinweis.
Etwa eine Woche nach der Party, Mom und ich waren gerade auf dem Heimweg von der Probe, räusperte sie sich und sagte: »Dein Dad und ich haben geredet …«
Ich sammelte mich für den Ausbruch.
»Wir haben beschlossen, dich im Arbeits- und Lernprogramm der Schule anzumelden. Dein Dad hat dir ein bezahltes Praktikum bei der First Washington Credit Union Bank in der Buchhaltung besorgt.«
»Buchhaltung?« Hier lief gerade alles schief, ich konnte nicht glauben, was sie mir gerade erzählte.
»Es ist ein tolles Programm«, fuhr meine Mutter fort. »Gleich nach dem Mittagessen hast du den Unterricht in der Schule, danach gehst du in die Bank. Und freitags kommst du vom Praktikum direkt zu den Proben in die Kirche. Nächste Woche geht es los.«
»Aber ich habe doch nachmittags Kunst!«
Meine Mutter seufzte mit unendlicher Geduld. »Ich weiß, es ist nicht das, was du
Weitere Kostenlose Bücher